Ernüchternde Globalisierung

Beim asiatisch-pazifischen Gipfel in Brunei haben die einst großen Freihandelsvisionen ausgedient. Die Teilnehmer können froh sein, wenn sie sich auf kleine Schritte einigen

Jetzt geht es bei Apec um die Kooperation bei Umwelt und Technologie sowie die Überwindung der „digitalen Kluft“

BANGKOK taz ■ Auf ernüchternde Stunden müssen sich die 21 Staats- und Regierungschefs aus Asien und der Pazifikregion gefasst machen, die sich heute und morgen in dem kleinen Ölsultanat Brunei zum zweitätigen Apec-Gipfel treffen: Der Genuss alkoholischer Getränke ist nach den muslimischen Gesetzen des Ländchens auch für mächtige Teilnehmer wie den Amerikaner Bill Clinton, den Russen Wladimir Putin, den Chinesen Jiang Zemin und den Japaner Yoshiro Mori offiziell tabu.

Die Stimmung im 1989 gegründeten Forum ist ohnehin schlecht. Viele Teilnehmer sind inzwischen zerstritten. Statt wie früher das Hohelied des freien Handels zu singen, fragen sich viele Apec-Politiker heute, wie sie die Folgen der Globalisierung bewältigen sollen. Die ärmeren Länder, die noch immer an der Finanzkrise von 1997 leiden, wehren sich gegen den vor allem aus den USA kommenden Druck, ihre Grenzen für ausländische Waren und Finanzen weiter zu öffnen. Deshalb weigerten sich die Apec-Handelsminister in ihrer Erklärung am Montag auch, neue Freihandelsgespräche im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO „noch für das Jahr 2001“ zu fordern. Besonders Malaysia und Südkorea stemmten sich gegen ein festes Datum. Die Erklärung empfiehlt nun vage, sich um einen Fortgang der in Seattle 1999 gescheiterten WTO-Runde zu bemühen.

Um das gespannte Klima zu entschärfen, sollen die Regierungschefs in Brunei zum Beispiel über eine bessere Zusammenarbeit im Umwelt- und Technologiesektor und andere Entwicklungsprogramme sprechen. Besonders besorgt sind etwa die Regierungen Indonesiens und Thailands über die wachsende „digitale Kluft“ zwischen jenen Staaten, die am Internet-Boom teilhaben, und den Verlierern beim Wettrennen der neuen Wirtschaftszweige. Thailand zum Beispiel, das sich bis zum Beginn der Asienkrise noch stolz als kleine „Tigernation“ bezeichnete, muss nun befürchten, bald abgehängt zu werden: Denn aus verarmten Bauern – zwei Drittel der thailändischen Bevölkerung – lassen sich nicht mal eben schnell Computerspezialisten machen.

Auf der anderen Seite stehen die hoch industrialisierten Länder, die ihre Absatzmärkte sichern wollen und auf High-Tech setzen. Statt auf gemeinsame Abkommen zu warten, konzentrieren sie sich wieder auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit einzelnen Handelspartnern. So kündigten Singapur und Neuseeland jüngst ein neues bilaterales Abkommen an.

Die in Brunei versammelten Regierungschefs repräsentieren zwei Drittel der Weltbevölkerung. Die Hälfte des Welthandels findet in der Apec-Region statt. Russlands Präsident Putin kündigte bereits an, sein Land wolle künftig mehr Geschäfte mit Asien machen. Bislang ist der russische Handel mit Europa doppelt so stark wie mit der Apec-Region.

Für solche wirtschaftlichen Absichterklärungen wird Bill Clinton kaum den Kopf frei haben: Stattdessen wird er den – mehr oder minder schadenfrohen – Kollegen aus Asien wohl erklären müssen, wieso die Hochburg der Demokratie nicht mit der Wahl seines Nachfolgers fertig wird. Auch der Japaner Mori muss zu Hause mit einem Misstrauensvotum rechnen. Und ob der philippinische Präsident Joseph Estrada wegen des Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn den Gipfel ohne seinen geliebten Whiskey überstehen kann, ist fraglich. JUTTA LIETSCH