„Judenmission“ ist Zankapfel

Synode der evangelischen Landeskirche tagt in Mitte. Ökumene und „Bekehrung“ von Juden sorgten gestern im Kirchenparlament für die meisten Debattenbeiträge

Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg muss im kommenden Jahr mit einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen von rund 5 Prozent fertig werden – doch nicht diese Mitteilung der Finanzdezernentin Barbara Bauer brachte die seit gestern tagende Synode in Fahrt, sondern ein theologisches Problem mit Brisanz: die Frage der so genannten Judenmission.

Darunter versteht man den Versuch von christlichen Gruppen, Jüdinnen und Juden zu einem Übertritt zum Christentum zu bewegen. Ausgangspunkt der Debatte während der viertägigen Beratungen des „Kirchenparlaments“ in der Bartholomäuskirche in Friedrichshain war die Auftaktrede von Landesbischof Wolfgang Huber am Abend zuvor. Darin hatte er klargestellt, dass das „Volk Israel“ trotz Jesus Christus auch in der christlichen Theologie über eine „bleibende Erwählung“ von Gott verfüge: Es sei der gemeinsame Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Juden und Christen anbeteten. Deshalb und wegen der spezifisch deutschen Geschichte des Holocaust dürfe es keine „zielgerichtete Judenmission“ geben. Hintergrund dieser Erklärung waren Vorwürfe, die Landeskirche dulde, dass so genannte messianische Gemeinden in Räumen der Kirche Judenmission betrieben. In der jüdischen Gemeinde sind diese Missionsversuche mehr als umstritten.

Unter den knapp 200 Synodalen, die 1,3 Millionen Kirchenmitglieder der Landeskirche vertreten, meldeten sich nun jedoch Redner zu Wort, die Hubers Absage an die gezielte „Judenmission“ als zu pauschal betrachteten. Schließlich, so ein Synodale, habe Christus den Auftrag gegeben, „alle Menschen“ zu taufen. Mit dieser Ansicht blieb er jedoch klar in der Minderheit.

Recht lang anhaltenden Beifall erhielt Georg Kardinal Sterzinsky vom Erzbistum Berlin mit seinem Grußwort zur Synode. Trotz des Vatikanpapiers „Dominus Iesus“, das viele als einen herben Rückschlag im innerchristlichen Dialog, der Ökumene, begriffen, bekannte sich der Kardinal zu einer Fortsetzung der interkonfessionellen Kooperation: Alles, was in der Ökumene möglich sei, sollte man zusammen tun. „Wir sind nicht das Ganze, wir sind nur ein Teil.“ Der Oberhirte mahnte zugleich, sich vermehrt mit gemeinsamen Positionen in die öffentliche Debatte einzumischen.

PHILIPP GESSLER