„All to nah“ am Aufstiegsplatz

■ Altona 93 war lange in der Versenkung verschwunden. Jetzt scheint es wieder aufwärts zu gehen

Dass Altonas Anhänger ausgerechnet am Volkstrauertag etwas zu feiern haben würden, war nicht unbedingt zu erwarten. Doch beim gestrigen 2:2 gegen Halstenbek-Rellingen präsentierte sich Altona 93 dem heimischen Publikum erstmals als Tabellenführer der Verbandsliga. Damit hält die Serie: Alle drei Jahre erleben die Fans emotionale Höhepunkte.

Die jüngere Geschichte eines der ältesten Hamburger Fußballvereine beginnt mit Bildern, die heute weit entfernt scheinen. 1994, als verspätetes Geschenk zur Hundertjahrfeier, gewann der Club den Hamburger Toto-Pokal – und zog im DFB-Pokal als Gegner Borussia Dortmund. 10.000 Besucher strömten an die Griegstraße, fuhren die Strecke vom Hauptbahnhof nach Altona zum Teil mit dem ICE, weil die S-Bahnen überfüllt waren.

Dortmund, damals deutscher Meister, gewann schließlich schmeichelhaft mit 2:0, was der Hochstimmung in Altona keinen Abbruch tat. Dass der folgende Alltag grauer werden sollte als befürchtet, wusste da noch keiner. Doch drei Jahre später war der AFC „all to nah“ an den Profifußball mit seinen finanziellen Erfordernissen heran geraten. Der Verein beschloss, sich die Regionalliga mit den ligaspezifischen Gehältern und Reisekosten nicht mehr zu leisten und zog das Team gleich zwei Spielklassen – in die Verbandsliga – zurück. Und dort befindet sich der Verein auch noch im vierten Jahr nach dem freiwilligen Abstieg.

Nun allerdings scheint es wieder nach oben zu gehen. Seit 1999 stellte Jochen Mönchmeyer ein ambitioniertes Team zusammen, mit vielen Spielern aus der eigenen A-Jugend. Völlig überraschend erreichte er damit im Vorjahr die Vizemeisterschaft. Nach einem mäßigen Start in die laufende Saison und atmosphärischen Störungen in der Mannschaft verlor Mönchmeyer jedoch den Rückhalt und musste den Verein verlassen. Für seinen Nachfolger Andreas Prohn, vormals Co-Trainer, spricht der Erfolg. Unter ihm spielte das Team mit einem Durchschnittsalter von 22,1 Jahren zwei mal Remis, gewann ansonsten alle Spiele und steht nun seit drei Wochen an der Tabellenspitze in Hamburgs höchster Spielklasse. Der neue Coach, selbst lange in Altona als Kicker aktiv, setzt auf Rotation. Selbst Goalgetter wie der mit 23 Jahren für Altonaer Verhältnisse fast schon überalterte Torben Voß besitzen keinen festen Platz in der Anfangself.

Fragt man Prohn, ob er nicht nur die Aufstellung, sondern vielleicht auch einmal die Spielklasse wechseln wollte, wiegelt dieser ab: „Zur Spitzenmannschaft fehlt uns besonders im spielerischen Bereich noch die Konstanz.“ Andere Traditionsclubs wie der amtierende Meister Bergedorf 85 oder der SC Concordia kämpfen mit um die Spitze, haben zudem früh erklärt, dass ihr Ziel der Aufstieg ist.

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade unter den fünftklassigen Verbandsligisten herrscht große Zurückhaltung gegenüber der Oberliga Nord, die in zwei Staffeln unterteilt ist. Tritt der AFC gegen Stadtvereine wie den SC Victoria an, erscheint das vielen Fans allemal reizvoller als ein höherklassiges Spiel gegen den TSV Lägerdorf (bei Itzehoe). Ein Verbandsliga-Club ist sogar verschrien, zum Ende der Saison regelmäßig zwei Gänge zurückzuschalten, damit er nicht auf einem Aufstiegsplatz landet.

Bei Altona 93 ist solche Taktiererei aber nicht zu erwarten. Die junge Mannschaft ist nicht allzu teuer und besitzt Potenzial. Die Verbandsliga ist im vierten Jahr nicht mehr das Maß aller Dinge für den AFC. Bloß mit einer Neuauflage des DFB-Pokal-Hits wird es auf absehbare Zeit nichts. Im Hamburger Toto-Pokal schieden die Altonaer bereits in der ersten Runde aus: Mit einem 2:5 beim unterklassigen SC Poppenbüttel – ein Tor höher als damals gegen den BVB. Folke Havekost