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: Stell dir vor, es ist Skandal ...

Skandale, Affären, Enthüllungen: 40 Jahre TV-Magazine (Sa., 23.40 Uhr, N 3)

Das waren noch Zeiten: das unterschlagene Todesurteil von Hans Filbinger, betrunkene Bundestagsabgeordnete, die erste Abtreibung, die Berichterstattung über das Atomkraftwerk Brokdorf: Die CSU wollte in den Siebzigerjahren aus der ARD austreten und ließ den Bayerischen Rundfunk das Gemeinschaftsprogramm für kurze Zeit abschalten, die CDU-Landesregierung in Schleswig-Holstein drohte, den Staatsvertrag mit dem NDR zu kündigen. Politische Magazinedeckten Politik-Skandale auf, sorgten für Diskussionsstoff in der restaurierten Bundesrepublik.

In der Themennacht über 40 Jahre Polit-Magazine, die N 3 am vergangenen Sonnabend ausstrahlte, nannten die Macher von einst wie Dagobert Lindlau und Gert von Paczensky (1961 flimmerte mit „Panarama“ das erste politische TV-Magazin über den Schirm) ihre Motivation: „Die Leute sollen was zum Ärgern haben.“ Das bekamen sie – und dankten mit hoher Sehbeteiligung.

Leider wollen die Leute heute etwas anderes. Was genau, ist schwer herauszufinden, aber die reinen Polit-Magazine sind keine Publikumsmagneten mehr. Sahen Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre noch im Schnitt 16 Millionen Menschen zu, sind es heute gerade noch mal schlappe 4 Millionen. Monitor-Chef Klaus Bednarz beklagte sich deshalb jüngst im Medien-Fachblatt Hörzu darüber, von der ARD stiefmütterlich behandelt zu werden und zur reinen Manövriermasse zu verkommen.

Nun ist das Problem natürlich teilweise hausgemacht: Sechs politische Magazine sind zu viel (Fakt vom MDR berichtet schon jetzt, so scheint es, in jeder zweiten Ausgabe über die „skandalösen“ Verhältnisse in deutschen Pflegeheimen), die Zuschauer holen sich ihre gewünschten Hintergrundinformationen heute lieber in den „Tagesthemen“ und den handelsüblichen „Spezial“- und „Brennpunkt“-Sendungen. Der oft sehr altbacken daherkommende Gemischtwarenladen der Polit-Magazine zieht dagegen nur noch wenig.

Nicht auszudenken – sollte N 3 in vierzig Jahren die nächste „Themennacht der politischen Magazine“ planen: Die wäre dann vermutlich nach 5 Minuten vorbei ... THORSTEN PILZ