Grüne werden immer gelber

Gesetzentwurf: Betriebe sollen Löhne unter Tarif vereinbaren dürfen. IG Metall: Grüne werden beste FDP aller Zeiten. Auch im Arbeitsministerium wundert man sich

BERLIN taz ■ In schönster FDP-Manier versuchen die Grünen, das Tarifrecht aufzuweichen: „Wir wollen, dass Unternehmer mit ihren Betriebsräten auch Verträge abschließen können, die eine Entlohnung unterhalb des Tarifvertrags vorsehen“, erklärte ihr Fraktionschef Rezzo Schlauch dem Focus.

Grüne SozialpolitikerInnen bereiten einen Gesetzentwurf vor, nach dem das Tarifvertragsrecht geändert werden soll: Sieht es bisher vor, dass der jeweils für die Arbeitnehmer günstigste Tarif gilt, so wollen die Grünen nun, dass dieses „Günstigkeitsprinzip“ aufgeweicht wird, wenn es der Beschäftigungssicherung dient. So erklärte die Grünen-Sozialpolitikerin Thea Dückert gegenüber der taz: „Wenn man gerade in kleinen und mittleren Betrieben Arbeitsplätze damit sichern kann, dann sollten die Betriebsräte individuell mit der Unternehmensleitung vereinbaren können, dass man für eine bestimmte Zeit Löhne unterhalb des Tarifs zahlt.“

Man legalisiere damit lediglich eine Grauzone, denn „schon heute werden solche Absprachen unter der Hand getroffen,“ meinte Dückert. Wie aber kontrolliert werden soll, ob die Angabender Betriebe zu ihrer vermeintlich schlechten Lage stimmen, können die Grünen bis jetzt nicht sagen.

Nicht nur die Gewerkschaften laufen gegen diesen Vorstoß Sturm: IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sagte laut Bild: „Löhne und Gehälter unter Tarif und die Verlagerung von Tarif-Verhandlungen in die Betriebe wird es mit der IG Metall nicht geben.“ Die Grünen, so Zwickel, „entwickeln sich zu Lobbyisten der Arbeitgeber und zur besten FDP aller Zeiten“.

Auch im SPD-geführten Arbeitsministerium reagierte man mit Unverständnis: „Es gibt keinen Grund, vom bisherigen Günstigkeitsprinzip abzuweichen“, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater der taz, „Tariföffnungsklauseln gibt es jetzt schon, ob sie ausreichend sind, müssen allein die Tarifparteien entscheiden.“ Bedenken dieser Art bringt Rezzo Schlauch flink auf den Begriff: Das sei „Strukturkonservatismus“. Übrigens auch ein Lieblingswort des BDI.HEIDE OESTREICH