Der mit dem Geld tanzt

Mancher kann sein Olympia-Gold nicht versilbern: Triathlet Stephan Vuckovic allerdings macht aus Silber bare Münze – weil er sich so schön gefreut hat

von FRANK KETTERER

Die ältere Dame schleicht sich langsam und von hinten ran. Lange Zeit war sie sich nicht sicher, man konnte das schön beobachten, so auffällig unauffällig, wie sie den jungen Mann an dem kleinen Tischchen gleich am Eingang des Cafés im Reutlinger Listhaus ins Visier genommen hat. Aus sicherer Entfernung natürlich, erst von rechts, dann von links – und schließlich muss sich die Frau doch Gewissheit verschafft haben. Jedenfalls nimmt sie jetzt allen Mut zusammen, tritt heran an das Tischchen und spricht den jungen Mann mit einem gütigen Lächeln ganz direkt an: „Entschuldigung“, sagt das Mütterchen dann, „ich weiß zwar nicht mehr Ihren Namen, aber Sie sind doch der, der sich bei Olympia so gefreut hat.“

Wie aus Silber Gold wird

Stephan Vuckovic hat diesen Satz oft gehört, genau so oder so ähnlich, ein paar hundert Mal bestimmt, seit er in Sydney den Zielstrich beim olympischen Triathlonwettbewerb überquert hat. Zweiter wurde Vuckovic da, nur ein paar hundert Meter vor dem Ziel abgefangen von dem Kanadier Simon Whitfield. „Nur Zweiter“ heißt das hier zu Lande dann oft, aber Vuckovic hat allen gezeigt, dass er nun wirklich nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen hat: Noch vor dem Zielstrich hat er sich eine deutsche Fahne geschnappt, hat sie in die Höhe gehalten und ist damit umhergehüpft wie einer dieser kleinen Gummibälle, mit denen Kinder spielen. Verrückt vor Freude, wahnsinnig vor Glück. Und selbst die eher nüchternen Medienarbeiter von der Frankfurter Allgemeinen ließen sich mitreißen von Vuckovics Jubelpirouetten. „Triathlet Vuckovic wird zum fröhlichsten Zweiten der Spiele“, titelten sie – ganze zwei Tage war Olympia da alt.

Geld liegt auf der Straße

Nun ist das Feuer fast schon wieder zwei Monate erloschen und also die Zeit gekommen, mal nachzuschauen bei jenen, die mit Gold nach Hause reisen konnten oder mit Silber oder Bronze. Was haben all die Medaillen denn nun gebracht – fürs Leben und vor allem fürs Bankkonto? Sonderlich rosig fällt diese Bilanz nicht aus, bisher jedenfalls nicht. Und mit am besten hat es wohl noch Bahnrad-Olympiasieger Robert Bartko getroffen, der künftig nicht mehr im Kreis herumradeln muss in stickigen Hallen, sondern für das Team Telekom in frischer Luft und auf der Straße strampeln darf – als weiterer Wasserträger von Olympiasiegerkollege Jan Ullrich. Aber immerhin, es ist was Konkretes für Bartko: ein Vertrag, den er in der Tasche hat – und der regelmäßig Kohle bringt als Radprofi.

Andere haben selbst das nicht, manche, obwohl sie große Namen tragen. „Gespräche laufen“, sagt beispielsweise Alain Blondel, der Lebensgefährte und Manager von Gold-Weitspringerin Heike Drechsler. Gespräche mit Sponsoren, soll das heißen, unter Dach und Fach gebracht ist freilich noch nichts. Dabei geht es Drechsler noch verhältnismäßig gut, ihr Antrittsgeld bei Werbeauftritten hat die Olympiasiegerin nach Sydney kurzum verdoppelt, dem Vernehmen nach bei 20.000 Mark pro Auftritt soll es nun liegen.

Das ist in etwa jene Summe, die auch Kanu-Olympiasieger Thomas Schmidt ins Auge gefasst haben dürfte – pro Jahr allerdings. „Es wird sich wohl alles im niedrigen fünfstelligen Bereich bewegen“, sagt der Maschinenbaustudent jedenfalls, und selbst da ist noch nichts unterzeichnet: „Die Verhandlungen sind noch im Gange“, muss auch Schmidt eingestehen.

Werner Köster können solche Dinge nicht überraschen. „Es ist keineswegs so, dass man eine Goldmedaille oben in einen Schlitz hineinwirft und unten dann ein Werbevertrag herauskommt“, sagt der Hamburger Sportmanager, der unter anderem die Schwimmerin Franziska van Almsick betreut und also ganz genau weiß, wie man’s macht. „Manche Olympiasieger sind fast Wegwerfsieger“, sagt Köster, Gewinner für einen Tag quasi. Die Wirtschaft reagiert nach wie vor zögerlich, auch zwei Monate nach Sydney, um herauszufiltern: Wer bleibt im Gedächtnis der Menschen haften? Wer bleibt Sympathieträger? Wer taugt für Werbung?

Stephan Vuckovic hat da einen Vorteil. Sein Jubel hat sich festgefressen in den Köpfen der Menschen, auch wenn sie seinen Namen nicht gleich parat haben. Der, der sich so gefreut hat – auch über Silber, das kann im Nachhinein unter Umständen mehr wert sein als Gold. „Das kam erfrischend rüber“, findet Köster, „er hat den Leuten gefallen.“ Und auch Vuckovic selbst weiß mittlerweile, dass er sich viele Sympathien auf der Zielgeraden ertanzt hat. „Ich glaube, das lässt sich ganz gut vermarkten“, sagt der 28-jährige Reutlinger, zumal er in den letzten beiden Monaten so ziemlich alles getan hat, um einigermaßen öffentlich zu bleiben – und damit im Gespräch: Gut zehn Fernsehauftritte, an die 50 Interviews, dazu zahlreiche Autogrammstunden hat er über sich ergehen lassen.

Sympathien im Ziel ertanzt

Unterschrieben hat auch Vuckovic freilich noch nichts, immerhin aber gibt es Anfragen. „Vier riesengroße Firmen, die auch international operieren, sind an mir interessiert“, sagt der Triathlet, auch die ein oder andere lose Zusage besitze sein Berliner Manager Jürgen Jopp bereits, lediglich um Details im Vertragswerk gehe es da noch. Sind diese endlich ausgekegelt, dürfte der Mann, der sich so gefreut hat, gleich noch mal jubeln: weil er dann Silber zu Gold gemacht hat.