Explosion fordert mindestens neun Tote

■ Rettungskräfte suchen weiter nach zwei Vermissten / Zwei Verschüttete nach Handy-Hilferuf lebend geborgen / Bauarbeiten werden als Ursache der verheerenden Gas-Explosion vermutet

Die Zahl der Menschen, die am Montag bei der verheerenden Gasexplosion in der Neustadt ihr Leben verloren, ist bis gestern Abend auf neun gestiegen. Zwei Menschen wurden zum Redaktionsschluss laut Polizei noch vermisst. Die Retter hatten auch den ganzen Dienstag über den Trümmerberg im Geschwornenweg, der einmal das Haus mit der Nummer Elf war, nach weiteren Opfern durchkämmt.

Am Unglückstag war es den Rettern gelungen, insgesamt 21 Verletzte aus dem völlig zerstörten Wohnheim der Heilsarmee und den benachbarten Gebäuden zu bergen. Die Lage spitzte sich dramtisch zu, nachdem ein verschütteter Bewohner per Handy einen Hilferuf aussendet hatte. Mit Hilfe von Richtfunkmikrophonen orteten die Helfer den 56-Jährigen, der schließlich über einen vorsichtig freigelegten Tunnel gerettet werden konnte. Auch eine – schwer verletzte – 70jährige Frau gelangte auf diesem Weg ins Freie.

Dass man diese beiden Menschen überhaupt habe retten können, sei schon ein Wunder gewesen, so der Leitende Branddirektor der Feuerwehr, Karl-Heinz Knorr, am Dienstagnachmittag. Die Wahrscheinlichkeit, jetzt noch Überlebende zu finden, gehe fast gegen Null. Das ehemals vierstöckige Haus sei „wie ein Stoß Papier“ in sich zusammengesackt – mit dem Unterschied, dass die einzelnen Schichten mit hunderten von Tonnen Gewicht zusammengepresst würden. Die Opfer seien aller Wahrscheinlichkeit nach erschlagen worden.

Während die Bergungsarbeiten noch bis in den Mittwoch hinein andauern sollen, stellt sich nun die Frage, welche Ursache das Unglück gehabt haben könnte. Dass es sich um eine Gasexplosion gehandelt hat, scheint nach Angaben von Polizei und Feuerwehr festzustehen. Experten untersuchen nun vor Ort, wie es dazu kommen konnte. Ein Zuleitungs-Gasrohr soll bereits als mögliches Beweisstück gesichert worden sein. Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt unterdessen wegen fahrlässiger Tötung. „Arbeitsthese“ ist laut Leiter Jan Frischmuth, dass ein unvorsichtiger Baggerfahrer ein Gasrohr angehoben haben könnte. Möglicherweise sei das Rohr dadurch im Keller des explodierten Hauses abgerissen. Mutmaßungen, dass die Explosion auch ein Anschlag gewesen sein könnte, wurden von der Polizei als „Ente“ zurückgewiesen.

Das Bauunternehmen, das am Tag des Unglücks in der Geschwornenstraße an einem Mischwasserkanal arbeitete, wollte sich gestern zu den Vermutungen nicht äußern. Auch bei der „hansewasser“, in dessen Auftrag die Bremer Baufirma buddelte, hieß es „kein statement“. Man wolle nicht in die polizeilichen Ermittlungen eingreifen. Auch von Seiten der swb AG gab es nur Allgemeinheiten zu hören: Erst müßten Experten im Keller des Gebäudes gewesen sein, um Näheres zu sagen.

In 98 Prozent aller Fälle seien aber Manipulationen und „bauliche Gewalteinwirkungen“ die Ursache von Gasunglücken, so swb-Pressesprecherin Marlene Odenbach. Und 90 Prozent davon fielen auf die zweite genannte Ursache. Daher müßten Baufirmen auch vor Arbeiten in der Nähe von Gasleitungen umfangreiche „Schutzanweisungen“ unterschreiben. Dazu zählt, dass näher als sechzig Zentimeter an einer Leitung nur mit der Hand gearbeitet werden dürfe. Laut Odenbach hat es bisher noch überhaupt keine Gasexplosion in Bremen gegeben, und schon gar keine in diesem Ausmaß.

Im Umkreis des Unglücksortes herrschte gestern teilweise immer noch Ausnahmezustand. Der Buntentorsteinweg war noch immer gesperrt, nur die Straßenbahnen fuhren schon wieder. Mehrere Häuser im Geschwornenweg sind derzeit unbewohnbar. Und die Bremer Glaserei-Betriebe machten unübersehbar gute Geschäfte. hase