Vor allem Schönes eingedeutscht

xxs bittet zur Night of the Kantrie Giants im Molotow  ■ Von Georg Felix Harsch

In einer Stadt, in der man sich auf Urbanität immer einiges einbildet, hat ein so provinziell erscheinendes Idiom wie Country-Music keinen leichten Stand, sollte man meinen. Aber auch hier schätzen männliche Plattennerds Johnny Cash, und bei Steve Earle-Konzerten ist halb Barmbek auf den Beinen. Anknüpfungspunkte galore gibt es auch für die Hipniks zwischen Pudels und Mutter. So soll Dolly Parton einmal gesagt haben: „Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie teuer es ist, billig auszusehen.“ WelcheR BesitzerIn einer zu kleinen Ski-Jacke könnte das nicht unterschreiben?

Die hier betriebene Country-Rezeption ist tatsächlich eine äußerst produktive, wie sich über die letzten drei Jahre gut verfolgen ließ. Jenseits von Cowpunk oder deutschem Schlager befasst sich eine Menge Menschen mit dem Selbstmitleid, den großen Gefühlen, dem Jodeln und den twangigen Sounds, die unter anderem Country Music sind. Hervorgetan hat sich dabei besonders die Firma xxs-records. 1997 veröffentlichte sie das erste Tonträger-Lebenszeichen einer Hamburger oder gar einer deutschen alternativen Country-Szene und nannte es 13 Golden Kantrie Greats.

Diese Eindeutschung einer amerikanischen Musik hat, abgesehen von dem hässlichen Wort „Kantrie“, vor allem Schönes hervorgebracht. Was sich 1997 teilweise noch etwas ziellos anhörte, ist mittlerweise lose gefestigt, und der Erfolg von Fink, die Omnipräsenz von DM Bob und seinen Deficits sowie eine regelmäßig stattfindende „Get Country and Rhythm Night“ haben den einheimischen Country-Schaffenden den Exoten-Status längst genommen. Also wird jetzt nach vorne und über den Tellerrand geschaut. Wieder hat xxs-records einen Sampler veröffentlicht, wieder erscheint das Wort Kantrie im Titel und wieder ist die Genre-Definition keineswegs eine eindeutige. Diesmal aber sind Bands aus verschiedenen BRD-Städten vertreten und der Unternehmung fehlt jeglicher Experiment-Charakter. Hier stellt sich eine Pop-Nischenerscheinung dar, die sich auf eine gesunde Selbstreflexion, Humor und eben das große Gefühl verlässt und bezieht. Deshalb klingt die CD bei 21 vertretenen Acts mit oberflächlich sehr unterschiedlichen Ansätzen auffällig homogen.

Natürlich will ein solches Projekt auch vorgestellt bzw. ein solches Produkt auch beworben werden, und so gibt es zum Land of the Kantrie Giants die entsprechende Nacht im Molotow. Vertreten sind hier acht der vorgestellten Bands, vor allem wieder die einheimischen. Und wenn jedem Act etwa eine halbe Stunde zur Verfügung steht, wird wirklich eine ganze Nacht draus. Mit Cow präsentiert sich die ex-Braut Peta Devlin als große Kennerin des Genres, singt wie Emmylou Harris selbst und lässt sich dabei fast Bluegrass-artig begleiten. Klassischer wird es wohl den ganzen Abend nicht, und auch schöner könnte schwierig werden. Nach einem Solo-Auftritt des Fink-Sängers Nils Koppruch sowie der ätherischen Stimme und den angenehmen Sounds von Tenfold Loadstar, die erst kürzlich von Braunschweig nach Hamburg gewechselt sind, bieten Halmas wohl die freieste Interpretation des Country-Begriffes in diesem Zusammenhang. Auf ihrem Sampler-Beitrag leisten sie, worauf viele Radiohöhrer in Norddeutschland seit Jahren warten: Sie unterlegen den extrem enigmatischen Seewetter- und –lagebericht des NDR („Vier Charlie Whisky Ost“) mit soundtrackiger Instrumentalmusik. Schließlich geben The Twang und Jimmy Hotspoon der Verans-taltung wohl noch den Party-Charakter, indem sie Genrefremdes aber Bekanntes im Countryidiom erklingen lassen („Fight for your right to party“, „Holiday in Cambodia“), und Butterscotch klopfen dann die folkige Seite des Ganzen ab.

Eine Runde Sache also, wie es scheint. Und wieder eine dieser Veranstaltungen, die garantieren, dass keinE Country-FreundIn über Hamburg sagen kann, was die Austin Lounge Lizards über Dallas singen: „Im going back to Dallas, Texas, to see if anything could be worse than losing you“.

Donnerstag, 21 Uhr, Molotow