Schwarze Perlen und weiße Diamanten

Er ist ein geheimnisvolles Wesen, der Trüffel. Um den aromatischen Pilz ranken sich Mythen und Legenden (Teil 2)

Der Mäandertrüffel ist der Pilz des Jahres 2001. Der weißlich-bräunliche Pilz mit dem wissenschaftlichen Namen Choiromyces meandriformis wurde soeben von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie ausgewählt. Der Stuttgarter Wunderkoch Vincent Klink beschreibt aus diesem Anlass seine kulinarischen Erfahrungen mit dem edelsten aller Pilze.

Trüffeln kosten viel Geld, und wo es ums Geld geht, da ist auch der Schmu nicht weit. Es sei laut und lang geklagt: Mit den so genannten Gas-Chromatographen konnte man all diese herrlichen Duftkomponenten analysieren. Und seitdem dies gelang, wird in den Gourmetküchen das künstliche Trüffelöl über die Edelspeisen gekippt. Meist ahnen die Köche nicht mal, dass sich im Ölfläschchen der Beschiss gefangenhält und nur darauf wartet, dass Unwissende den Flakon entkorken. Aus China kommen seitdem in rauen Mengen weiße „Tuber Nullschmeck“, die mit dem künstlichem Trüffelöl geimpft werden und zur dummen Freude vieler Gourmets beitragen.

Placebos können sehr hilfreich sein, wir wissen es alle. Wenn sie nur nicht so teuer wären. Oder gerade deshalb? Im vergangenen Herbst gedieh der Preis für Weiße Trüffeln auf über 7.000 Mark je Kilo. Klar, dass Trüffeln ein Mysterium sind, schlimm aber, dass sie dadurch auch zum Statussymbol verkommen sind. Eine der schlimmsten Strafen wäre für mich, im Spätherbst ins Piemont reisen zu müssen, um mich unter idiotisierte Ferrarifahrer aus Mailand und unerträgliche Aficionados aus Germanien zu mischen. Gute piemontesische Köche graust es ebenso. Deshalb werden Neu- bzw. Portemonnaie-Gourmets kräftig geschröpft, damit die dortige Gastronomie doch noch ihre Freude an diesen Heinis hat.

Dieser italophile Wahnsinn und natürlich meine Trüffelinitialzündung bei Bocuse trieben mich immer wieder dem Perigordtrüffel zu. Das Kilo zu maximal tausend Mark. Auch nicht gerade ein Schnäppchen, aber das Hantieren mit dem Tuber melanosporum ist hundertprozentig amateurfrei und von Kennerschaft umgeben. Von außen sehen die Dinger ungefähr genauso aus wie die hochempfindlichen Organe, die sie finden – wie schwarz glänzende, porige Hundeschnauzen. Schneidet man sie durch, kommt die Wahrheit an den Tag. Echter Schwarzer Trüffel ist nicht nur außen, sondern auch innen schwarz und durchzogen mit hellweißen Fäden. Hellflächiges Innenleben kommt höchstens bei unreifen Trüffeln vor. Immer hellbraun unter der schwarzen Schale sind Sommertrüffeln (Tuber aestivum, Mai-November). In gekochtem Zustand werden diese kulinarischen Irrläufer dunkelbraun, doch niemals tiefschwarz wie der Perigordtrüffel.

Der lässt sich auch nicht so einfach roh auf Nudeln hobeln. Dies geschieht zwar immer häufiger, ist aber vollkommen idiotisch, und man weiß dann gleich, dass der Koch „sein Sach“ nicht gelernt hat. Redet man in Frankreich von Trüffeln, so ist stets der Schwarze gemeint. Schon der übliche französische Chauvinismus gebietet, sich über den Albatrüffel auszuschweigen. In der Tat treffen verschiedene Küchenwelten aufeinander. Italien ist, grob besehen, das Land ohne Saucen. Die französische Küche wird jedoch vom Saucenkoch beherrscht. Er ist der höchstbezahlte in der Brigade. Zwar kann man Schwarze Trüffeln beispielsweise in Blätterteig einbacken oder in der Glut schwiemelnder Holzasche garen. Feinste Verbindungen geht er aber mit dunklen Saucen ein. Er verströmt keinen leichten Duft, sondern Fülle und dunkle Schwere, die sich bevorzugt mit rotem Fleisch steigert. Sehr liebe ich ihn, unter die Brusthaut geschoben, als Korsage für Taubenbrüstchen oder als mystisches Feuer für Wild, Rindfleisch und dunkelfleischige Perlhühner. Der „Schwarze Diamant“ erfordert Kochkunst – mit ihm ist man zwangsweise unter Profis. Das macht auch sein Mysterium aus, und das trennt auch häufig den Hobbykoch vom Berufskoch. Wer mit dem Perigordtrüffel nicht umgehen kann, der wird ihn nie verstehen.

VINCENT KLINK