Nichts von Manipulation

Am 4. November warf unser Autor Hersch Fischler im taz.mag dem Historiker Hans Mommsen im Streit um den Reichstagsbrand vor, „die Freiheit der Forschung aus politischen Gründen“ beschnitten zu haben. Der Gescholtene wehrt sich. Eine Erwiderung

von HANS MOMMSEN

Hersch Fischler stützt seine unwahre Behauptung auf eine von mir angefertigte Aktennotiz über eine mit dem damaligen Justiziar des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) geführte Unterredung, die der Überprüfung der Rechtslage in dem zwischen dem Institut und Oberstudienrat Hans Schneider entstandenen Konflikt über die Zurückziehung des Forschungsauftrags und die Verwertung des in Aussicht gestellten Manuskripts diente.

Sie erfolgte nach der am 9. und 10. November 1962 vom Direktor des IfZ getroffenen und von ihm am 30. November schriftlich bestätigten Entscheidung, den Vertrag nicht weiter fortzusetzen. Die Frage, ob das Institut eine anderweitige Veröffentlichung unterbinden konnte, stellte sich jedoch nicht, da zu keinem Zeitpunkt ein auch nur annähernd publikationsfähiges Manuskript vorlag. Die von mir erst 1964 unterstützte Alleintäterschaftsthese spielte bei der Entscheidung des Instituts keine Rolle.

Ich habe dem Autor diesen Sachverhalt in einem Schreiben vom 2. Oktober dargelegt. Darin heißt es: „Nach längeren erfolglosen Verhandlungen mit dem IfZ, die im November 1962 zu einer Beendigung der bisherigen engen Zusammenarbeit und Unterstützung der bisherigen Forschungen von Oberstudienrat Schneider führten, bekundete dieser die Absicht, sein Gesamtmanuskript unabhängig und ohne Billigung des Instituts zu veröffentlichen. Die von mir mit Rechtsanwalt Delp geführte Unterredung über rechtliche Möglichkeiten des Instituts, eine gegen seinen Willen vorgenommene Veröffentlichung zu verhindern, die in der Aktennotiz wiedergegeben wird, ist folgenlos geblieben, da das Manuskript, wie vorherzusehen war, auch nicht als Teilmanuskript druckfertig wurde.

Die Formulierung „allgemeine politische Gründe“ bezieht sich auf den abträglichen Effekt, den eine Publikation des Konvoluts „Schein und Wirklichkeit des Reichstagsbrandes“ in der Öffentlichkeit angesichts der nachhaltigen Förderung durch das IfZ hätte haben müssen. Die Eventualerwägungen, einen Vergleich mit Herrn Schneider herbeizuzwingen, sind insofern gegenstandslos geblieben. Sie haben die Entscheidungen des IfZ nicht mehr beeinflusst, da kein Anlass zu erneuten Beratungen seit dem November 1962 vorlag. Schritte, die Publikation zu verhindern, sind nicht unternommen worden.

Es muss vielmehr gesagt werden, dass vonseiten des IfZ alles Menschenmögliche getan wurde, um Herrn Schneider zu unterstützen, ohne dass handfeste Ergebnisse sichtbar würden, die der Position von Fritz Tobias überzeugend hätten gegenübergestellt werden können und die Texte von Schneider sich auf der Ebene von Materialzusammenstellungen bewegten.

Von einer Manipulation der Ergebnisse kann umso weniger gesprochen werden, als aus den bekannten Akten eindeutig hervorgeht, dass eine Publikation eines Aufsatzes in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte wiederholt angestrebt wurde. Unzweifelhaft wäre ein druckfähiger Text, hätte er vorgelegen, auch veröffentlicht worden. Das galt jedoch nicht für das Gesamtkonvolut, von dem ein kleinerer Teil im Institut vorlag. Ebenso wenig lag ein Auftrag des Instituts an mich vor, die Recherchen in der Reichstagsbrandfrage fortzuführen. Erst 1963, nach meinem Ausscheiden aus dem Institut, entschloss ich mich, das Thema zu behandeln. Trotzdem versucht Hersch Fischler, den Sachverhalt zu einer Manipulation zu Gunsten der Alleintäterschaft aufzublasen. Die von ihm immer wieder als Gegenbeweis beschworenen „Originalermittlungsakten“ im Bundesarchiv bringen zur Sache nichts relevant Neues. Von einer Rehabilitierung der nie zu Ende geführten Arbeit von Schneider kann daher keine Rede sein.