Angekündigter Wahlbetrug in Haiti

Der ehemalige Armenpriester Jean-Bertrand Aristide will am Sonntag zum zweiten Mal Präsident werden. Haiti steuert ins autoritär verwaltete Elend

SAN SALVADOR taz ■ „Man muss gegen die teuflischen Kräfte der institutionalisierten Gewalt den Widerstand organisieren“, sagte Jean-Bertrand Aristide einst. Das war vor gut 15 Jahren. Diktator Jean Claude Duvalier war Präsident und Aristide Priester in einem Armenviertel von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince. Morgen will Aristide zum zweiten Mal Präsident werden, und seit Wochen tyrannisieren die Schlägertrupps der Aristide-Partei „Lafanmi Lavalas“ Wähler und Funktionäre anderer Parteien.

Allein am Mittwoch explodierten in Port-au-Prince an verschiedenen Stellen sieben Bomben, am Donnerstag zwei weitere. Ein 14-jähriger Junge und ein 7-jähriges Mädchen wurden getötet, mindestens 16 Menschen wurden verletzt. Eine weitere Bombe entschärfte die Polizei rechtzeitig in der Nähe des Büros der Organisation Amerikanischer Staaten.

In den Tagen zuvor waren auf mindestens vier Büros des Wahlrats Brandanschläge verübt worden. In der vergangenen Woche rasten Killer-Kommandos auf Motorrädern durch Port-au-Prince und schossen wahllos auf Wartende an Bushaltestellen. Drei Menschen wurden getötet, sieben schwer verletzt. „Es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen die Wahl nicht sauber sein kann“, sagt Ariel Henry vom Oppositionsbündnis „Groupe de Convergence“.

Dabei hätte Aristide die Gewalt gar nicht nötig: Seine Wahl gilt als gesichert. Die gesamte ernst zu nehmende Opposition boykottiert den Urnengang. Neben Aristide stehen lediglich sechs ebenso unbekannte wie unbedeutende Kandidaten auf dem Wahlzettel. Anfang der Woche haben zwei von ihnen das Handtuch geworfen. Nach Umfragen ist die Mehrheit der Haitianer davon überzeugt, dass am Sonntag genau so betrogen werden wird wie bei der Parlamentswahl im Mai und Juni.

Damals änderte der von Lavalas kontrollierte Wahlrat während der Stimmenauszählung die Regeln und bescherte Lavalas Zweidrittelmehrheiten in Senat und Kongress. Wahlleiter Leon Manus weigerte sich, dieses Ergebnis zu verkünden. Er erhielt Todesdrohungen und floh ins Ausland.

Doch für die Mehrheit der Armen – das sind gut 80 Prozent der acht Millionen Einwohner – ist Aristide noch immer der Volksheld, der die Militärherrscher verjagte und eine gerechte Verteilung des Reichtums der Oligarchen versprach. Als Präsident hatte er nicht die Zeit, dieses Versprechen einzulösen. Nach nur sieben Monaten im Amt wurde er weggeputscht und erst drei Jahre später nach einer Militärintervention der USA wieder eingesetzt.

Direkt wieder gewählt werden konnte er nicht, und so wurde 1996 sein ehemaliger Premierminister René Preval Präsident. Der löste das Parlament auf, herrschte zwei Jahre lang per Dekret, ohne Regierung und ohne Volksvertretung. Gut zwei Milliarden Mark Hilfsgelder wurden auf Eis gelegt, weil kein Parlament die zur Auszahlung nötigen Beschlüsse fassen konnte.

Nach dem Betrug bei der Parlamentswahl ist nicht einmal mehr die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bereit, Wahlbeobachter zu schicken. Die dringend benötigten Hilfsgelder werden aller Voraussicht nach weiterhin eingefroren bleiben. Aristide ist das egal. Er hält sich gerne an eine haitianische Volksweisheit: „Das Schwein brät im eigenen Fett.“ Soll heißen: Wir sind selbst stark genug.

TONI KEPPELER