US-Demokraten vor dem Debakel

Al Gore scheint am Ende seines Lateins. Gegen seine sich am Wochenende abzeichnende Niederlage bleibt ihm nur noch, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Die Republikaner, die in Florida vorn liegen, haben dagegen noch Asse im Ärmel

aus Washington PETER TAUTFEST

Die Schlacht ums Weiße Haus geht mit unverminderter Härte und an allen Fronten weiter. Der Kampf wird mit Anträgen bei Gericht und seit Mitte dieser Woche auch mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams und der direkten Aktion ausgefochten.

So hatten Floridas oberste Richter auch am Thanksgiving-Feiertag vom Donnerstag keine Ruhe. Sie wurden von ihren Truthähnen weggerufen, um einen Antrag der Gore-Seite zu behandeln. Sie verständigten sich per Telefon und Fax darauf, den Antrag abzulehnen, der den floridianischen Landkreis Miami-Dade zum Weiterzählen zwingen sollte. Am Mittwoch hatten die dortigen Wahlleiter die Auszählung zweifelhafter Wahlzettel per Hand abgebrochen – nicht nur wegen der engen vom Obersten Gericht Floridas gesetzten Frist, sondern auch weil Republikaner und der exilkubanische Sender Radio Mambi zu lautstarken Demonstrationen aufgerufen hatten, in deren Verlauf an die Türen und Fenster des Zählraums gewummert wurde. Es kam zum Handgemenge, Sheriffs mussten eingreifen. „Der Protest war einer der Faktoren, die uns zum Abbrechen zwangen“, erklärte David Leahy, einer der drei Wahlleiter.

Mit dem Ausfall von Dade County war Gore von einer „potenziell reichhaltigen Quelle demokratischer Stimmen abgeschnitten“, wie sich die New York Times ausdrückt. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Gore mit Zugewinnen aus den Landkreisen Broward und Palm Beach Bushs Vorsprung von derzeit 930 Stimmen bis Sonntag 17 Uhr oder Montag 9 Uhr aufholt, doch die Chancen schwinden.

Gores Ankündigung weiterer Rechtsmittel wirken wie verzweifelte letzte Gefechte. Er hat angekündigt, das Wahlergebnis anzufechten – in erster Linie das aus Dade County, möglicherweise aber nicht nur das. In der Tat soll die vom Obersten Gericht Floridas gesetzte Frist für das Vorlegen der Wahlergebnisse die Möglichkeit schaffen, bis zum 12. Dezember, an dem die Wahlmänner benannt sein müssen, noch einen Antrag auf Wahlanfechtung verhandeln zu können.

Während Gore am Ende seines Lateins zu sein scheint, haben die Republikaner noch manches Ass im Ärmel, sollte es Gore wider Erwarten doch noch gelingen, Bush zu überrunden. Noch ist ein Antrag beim Obersten Bundesgericht anhängig, der den nachzählenden Countys das Nachzählen per Hand verbieten soll, und die Republikaner haben wissen lassen, dass der Landtag von Florida die 25 Wahlmänner des Bundesstaates selber benennen würde, wenn der republikanischen Fraktion das Zählergebnis suspekt erscheint.

Die Fraktionsführung der Republikaner in Washington richtet sich auch darauf ein, notfalls das Wahlmännervotum Floridas überhaupt nicht zu akzeptieren und den Präsidenten durch den Kongress zu wählen, in dem die Republikaner aufgrund des verfassungsmäßig vorgeschriebenen Wahlmodus eine deutliche Mehrheit hätten.

Obwohl Gore die Mehrheit der Stimmen im ganzen Land hat, beginnt sich also die Dynamik gegen ihn zu richten. Bush kann auf eine geeinte Phalanx von Republikanern blicken, während sich im Lager Gores die Stimmen mehren, dass der Kampf mit juristischen Mitteln um die letzte Stimme der Partei auf lange Sicht schaden könnte. Auf die Dauer könnte Gore als schlechter Verlierer dastehen, und das ist politisch noch schlimmer als nur zu verlieren.

Vor den Zählstellen der drei Countys tragen schon seit Tagen Demonstranten Gore-Wahlkampfplakaten nachempfundene Transparente, auf denen statt „Gore Lieberman“ „Sore Loserman“ steht – was so viel wie beleidigter Verlierer heißt.