Exekution in Maputo

Als leidenschaftlicher Journalist hatte Carlos Cardoso in seiner Heimat Mosambik mehr Feinde als Freunde. Am vergangenen Mittwoch wurde er auf offener Straße erschossen. Ein Nachruf

aus JohannesburgKORDULA DOERFLER

Carlos Cardoso hatte viele Feinde. Sie saßen überall. In der Regierung, im Parlament, in der Opposition, in der Weltbank, unter Kollegen. Das konnte gar nicht anders sein bei einem wie ihm. Einer, der leidenschaftlich streiten konnte, mit Wortgewalt und Überzeugungen, die unter Journalisten selten geworden sind. Einer, der manchmal Gefahr lief, Verschwörungstheorien anzuhängen. Seinen Beruf übte er mit derselben Leidenschaft aus, mit der er alles im Leben tat.

Wenn er loslegte, kam man so leicht nicht zu Wort. Cardoso war dennoch ein unbestechlicher Rechercheur in einer Gegend der Welt, wo Recherche meist nicht gern gesehen wird und schnell lebensgefährlich werden kann. Abschrecken lassen hat er sich davon nie, auch nicht von den zahllosen Todesdrohungen, die er im Laufe der Jahre erhielt.

Vielleicht hätte er sie ernster nehmen sollen. Letzten Mittwochabend lauerten ihm seine Mörder auf, nahmen mit zwei Autos sein eigenes in die Klemme und schossen dem 49-Jährigen mit Kalaschnikows mehrfach in den Kopf. Die Tat war zweifellos geplant, begangen in einem belebten Stadtteil von Maputo, wo Cardoso am Abend sein Büro verließ. Sein Tod rief große Erschütterung hervor, weit über die Landesgrenzen hinaus. Und er wirft Fragen auf. Wer steckt hinter dem Attentat, mitten in Maputo kaltblütig ausgeführt? Im südlichen Afrika war er eine Institution, geschätzt von Kollegen und gefürchtet von den Mächtigen. Kaum jemand wusste so viel wie er über Mosambik, sein Land, das er als Nachfahre von portugiesischen Siedlern leidenschaftlich liebte: die Verbrechen der ehemaligen Guerilla der Renamo, aber auch die der ehemaligen Befreiungsbewegung Frelimo, die seit 1994 das vom Bürgerkrieg zerstörte Land regiert.

Cardoso kannte jeden und hatte Dossiers über fast jeden. Besonders verhasst war er den neuen Regierenden, deren Korruptionsskandale und Verstrickung in organisierte Kriminalität Cardoso gnadenlos aufdeckte. Das verzeiht man einem aus den eigenen Reihen nicht.

1975, als Portugiesisch-Ostafrika frei wurde, kehrte Cardoso aus dem Exil zurück und begann mit 24 Jahren seine Karriere als Journalist. Während des blutigen Bürgerkrieges, in den das Land dann fiel, war er Chefredakteur der staatlichen Nachrichtenagentur AIM – und selbstverständlich Parteimitglied der damals noch marxistischen Frelimo. An der verzweifelte er schließlich. „Wir verlieren jeden Tag ein kleines Stück unserer Nation“, seufzte er Mitte der 90er-Jahre, als ich ihn das erste Mal traf.

Das, was der Westen als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte feierte, war für ihn ein beispielloser Ausverkauf: an die Weltbank und die internationalen Geber, die das Land zum afrikanischen Wunderkind machen wollten.

Doch die neue Elite in Maputo ist zutiefst korrupt und anfällig gegenüber den Verführungen der Macht, während die Bevölkerung so bettelarm ist wie zuvor. „Wir haben keinen Staat. Wir haben einen Privatsektor, der sich Staat nennt“, wetterte Cardoso gern. Die einzig echte Opposition im Land war in seinen Augen die schwache, aber immerhin vorhandene Zivilgesellschaft.

Für sie, für die Rechte der bettelarmen Durchschnittsmosambikaner und für ein korruptionsfreies Mosambik, stritt Cardoso unermüdlich. 1988 verließ er AIM und gründete die erste Medienkooperative des Landes, die später die erste unabhängige Faxzeitung des Landes herausgab – in einem Land, indem die Medien ansonsten staatlicher Kontrolle unterstellt waren. Seit 1997 war er Chefredakteur und Eigentümer von Metical, einer unabhängigen Zeitung, die sich ebenfalls rasch Verdienste durch kritischen, unbestechlichen Journalismus erwarb.

Bis zuletzt recherchierte Cardoso an einem millionenschweren Bankenskandal, in den auch Parteifunktionäre verstrickt waren. Zugleich war er zutiefst besorgt darüber, dass das Land wieder in Krieg versinken könnte. Nach den gewalttätigen Aufständen von schwer bewaffneten Renamo-Mitgliedern vor zwei Wochen sah er sich darin bestätigt. Noch Anfang dieser Woche sprach ich mit ihm über die schwindenden Hoffungen für das gesamte südliche Afrika. 48 Stunden später war er tot. Es steht zu befürchten, dass wir über seinen Tod nie das wissen werden, wofür er so vehement gekämpft hat: die Wahrheit. Carlos Cardoso hatte zu viele Feinde.