Bahn frei für Nachtschwärmer

Die BVG will im Herbst 2001 das unübersichtliche Nachtbussystem abschaffen. Dafür fahren dann fast alle U-Bahnen am Wochenende durch. Unter der Woche verkehren Busse entlang der Bahnlinien

von RICHARD ROTHER

Die Fahrkarte für die kleine Revolution im Berliner Nachtverkehr kann schon gelöst werden. Ab 17. September 2001 wird das alte und unübersichtliche Nachtbussystem Geschichte sein. Statt dessen fahren an den Wochenenden die U-Bahnen – mit Ausnahme der U4 – auf allen Linien die ganze Nacht durch. Unter der Woche wollen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Busse einsetzen, die parallel zu den bestehenden U-Bahn-Linien verkehren.

„Wir wollen damit den Berlinern und ihren Gästen die Orientierung im Nachtverkehr erleichtern“, sagte BVG-Marketingleiter Wolfgang Schwenk am Rande der Vorstellung des Nahverkehrsplans, den Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) gestern vorlegte.

Zur Zeit nutzen nur rund 19.000 Kunden das Nachtbus- und Nachttramsystem – gerade mal ein Drittel aller Nachtschwärmer. Schuld daran sei vor allem die Unübersichtlichkeit der Linien, die sich grundlegend vom Tagverkehr unterscheiden, so Schenk. „Wir wollen, dass keiner mehr fragen muss, wann die letzte U-Bahn fährt“. Die BVG will nun die Kunden gewinnen, die bisher nachts das deutlich schnellere und bequemere Auto vorziehen. Am Wochenende werden die U-Bahnen in der Innenstadt alle 15 Minuten fahren, ansonsten wird der 30-Minuten-Takt die Regel bleiben.

Zusätzlich zu den U-Bahnen sollen auch die Busse und Straßenbahnen des Tagesnetzes im 24-Stunden-Betrieb fahren. Allerdings werden bestimmte Linien nachts eingestellt, zudem werden die Taktzeiten ausgedünnt. 54 Bus- und 7 Straßenbahnlinien werden das Rückgrat des neuen Nachtverkehrs bilden. In den dünner besiedelten Gebieten am Stadtrand soll zudem der Haustürservice ausgeweitet werden.

Nach den BVG-Plänen soll das neue Angebot nicht teurer als das bisherige sein. „Das kostet bei der Einführung zwar etwas Geld“, so Marketingchef Schwenk. Mehr Kunden brächten aber auch mehr Einnahmen. Zudem entfielen die 36 Millionen Mark, die der bisherige Nachtverkehr kostet. Eine Ausdehnung des nächtlichen U-Bahn-Betriebes auf die Werktage lehnte Schwenk hingegen ab. „Das ist zu teuer.“ Zunächst müssten mindestens 27 Millionen Mark in die Infrastruktur investiert werden. Auch seien Züge teurer als Busse. Zudem benötige die BVG die nächtliche Betriebspause für Reparatur- und Wartungsarbeiten.

Bleibt ein Akzeptanzproblem. Für viele Anwohner sind nächtlich fahrende Busse und vor allem Straßenbahnen einfach zu laut. Die BVG müsse gerade für den Nachtverkehr leise Fahrzeuge anschaffen, forderte Verkehrssenator Strieder. In Wohngebieten müsse zudem der Einbau so genannter Flüstergleise forciert werden.