Präsident Bush gekrönt

Floridas Innenministerin erklärt George W. Bush zum Wahlsieger – Gore will die Wahl anfechten

aus Washington PETER TAUTFEST

Zwei Stunden nachdem Katherine Harris, die Innenministerin Floridas, George W. Bush zum Wahlsieger und Gewinner von Floridas 25 Wahlmännern erklärt hatte, trat Bush im Staatshaus von Texas vor die Kamera und hielt die Rede, die er schon vor drei Wochen hatte halten wollen. Obwohl es in den USA eigentlich Brauch ist, dass der Verlierer öffentlich seine Niederlage eingesteht, bevor der Gewinner spricht, erklärte sich Bush am Sonntagabend zum designierten Präsidenten der USA.

Die anders als üblich nicht vor seinen Anhängern, draußen auf dem Platz, sondern im Kuppelsaal des Capitols von Austin hastig und fast tonlos vorgetragene Rede sprach in der Vergangenheit: „Dies war ein harter Wahlkampf und ein Wettstreit, der für unsere Nation gesund war. Doch jetzt, wo die Stimmen gezählt sind, ist es Zeit, dass die Stimme der Wähler zählt.“

Vizepräsidentschaftskandidat Richard Cheney wird Chef des Übergangsteams. Andrew Card, ein weiterer Apparatschik aus dem Kreis seines Vaters, soll Stabschef in Bushs Weißem Haus werden. Es dürfte interessant sein, zu sehen, wie Clinton reagiert, wenn Bush ihn um den Schlüssel eines Büros im Weißen Haus bittet, wo sich traditionell das Übergangsteam des neu gewählten Präsidenten einrichtet.

Unmittelbar nach Harris’ Verkündigung meldete sich Gores Vizepräsidentschaftskandidat Joe Lieberman aus einem Washingtoner Hotel zu Wort. Von US-Fahnen umrahmt und sichtlich erregt, kündigte er an, weiter um Gores Wahlsieg vor Gericht zu kämpfen: „Tausende von Arbeitsstunden floridianischer Bürger werden ignoriert“, sagte er zu der Entscheidung von Katherine Harris, die Auszählergebnisse von Palm Beach County nicht anzuerkennen. „Wir haben eine Verpflichtung nicht nur gegenüber den 50 Millionen Amerikanern, die für Al Gore und mich gestimmt haben, sondern gegenüber allen, die sich an dieser Wahl beteiligt haben. Wie können wir unseren Kindern beibringen, dass jede Stimme zählt, wenn wir keine ehrliche Anstrengung machen, jede Stimme zu zählen? Wir haben ein nationales Interesse daran, dass der Gewinner in Florida auch wirklich der ist, der die meisten Stimmen bekam.“

Drei Wochen nach der Wahl sind die USA da angekommen, wo sie schon in der Wahlnacht waren. Bush hat, obwohl er im ganzen Lande weniger Stimmen bekam als Gore, die Wahl in Florida mit ein paar hundert Stimmen Vorsprung gewonnen, womit die 25 Wahlmänner Floridas ihm im Wahlmännergremium die erforderliche Mehrheit von 271 Stimmen verschaffen. Zweifel an einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen für Bush in Florida bestehen weiter. Die angestrengte und anstrengende Übung des Auszählens von Hunderttausenden von Stimmzetteln hätte eigentlich genauso gut unterbleiben können. Nicht nur, dass der Vorsprung Bushs von 537 bei 6 Millionen abgegebenen Stimmen immer noch im Fehlerbereich liegt. Von den drei Counties, die nachzählen wollten, legte nur eines, Broward, neue Ergebnisse vor.

Die Verkündung des endgültig vorläufigen Wahlergebnisses durch die Innenministerin Floridas ist nicht frei von Absurditäten. Katherine Harris war vom Obersten Gericht Floridas sehr gegen ihren Willen gezwungen worden, die Frist für die Beglaubigung der Wahlergebnisse Floridas hinauszuschieben. Am liebsten hätte sie schon vor einer Woche den Sieg Bushs verkündet. Als deutlich wurde, dass Palm Beach bis Sonntag um 17 Uhr nicht fertig würde und noch etwa zwei Stunden brauchte, ließ die Innenministerin wissen, dass eine Fristverlängerung nicht in Frage komme, selbst als inoffiziell schon bekannt war, dass Bushs Vorsprung um höchsten 200 Stimmen schrumpfen würde.

Gore kündigte an, das Wahlergebnis in mindestens drei Landkreisen anfechten zu wollen. In Dade County sind 10.000 von der Zählmaschine herausgeworfene Stimmen noch nie gezählt worden. Durch die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts am Freitag, eine Klage der Bush-Leute gegen das Urteil des Obersten Gerichts Floridas zu verhandeln, hat er eine Woche Spielraum. Die endgültige Feststellung von Clintons Nachfolger könnte noch auf sich warten lassen.

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