Einnehmend und wandelbar

Die grüne Steuer- und Finanzexpertin Christine Scheel bekommt den Mittelstandspreis

von MATTHIAS URBACH

„Christine Scheel strahlt Sympathie aus – das Gegenteil von Däubler-Gmelin“, so beschreibt ein CDU-Abgeordneter die Grüne. Vielleicht ist das ihr Erfolgsgeheimnis. Denn in der Sache kann die freundliche Finanzpolitikerin ziemlich penetrant sein – auf einem Feld, das die Grünen gerade erst erobern: Steuern und Wirtschaft.

Dort agiert Scheel so, dass die Union Mittelständischer Unternehmen (UMU) ihr heute in Berlin den „Mittelstandspreis“ als Auszeichnung für die mittelstandsfreundliche Ausgestaltung der Unternehmenssteuerreform überreichen wird. Das tut gut. Leidet Scheel doch sichtbar darunter, dass stets der Bundesfinanzminister die Lorbeeren für Steuerreform und Konsolidierungspolitik einstreicht. „Dabei haben wir in den Koalitionsgesprächen eine nachhaltige Finanzpolitik durchgesetzt.“

Umso wohler tut ihr der UMU-Preis. Ein Verband, der immerhin 15.000 kleine Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern repräsentiert. „Genau die, die wir immer unterstützen wollten“, sagt Scheel erfreut. „Für DaimlerChrysler muss man doch nichts tun.“ Und sie ist nicht nur die erste Grüne, sondern auch die erste Frau, die den Preis bekommt. „Die Grünen haben eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Wandel an den Tag gelegt“, begründet UMU-Präsident Hermann Sturm.

Erstmals Aufsehen mit ihrer Finanzpolitik erregte Scheel 1997. Damals entwarf sie mit Oswald Metzger und Andrea Fischer das Konzept einer aufkommensneutralen Steuerreform. Bei den Grünen wurde sie zunächst angefeindet: „Jeder findet es gut, wenn du sagst: Kindergeld und Existenzminimum höher“, erinnert sich Scheel. „Aber wehe, du willst den Spitzensteuersatz senken.“ Doch die Unternehmer wurden aufmerksam auf die Grüne, und es entstand langsam ein guter Draht zur Wirtschaft. Heute fühlt sich Scheel auf Unternehmerkongressen zuweilen wohler als auf Parteisitzungen.

Auf dem Höhepunkt der Steuerdebatte vor einem Jahr gehörte auch Christine Scheel zu denen, die innerparteilich als „neoliberal“ beschimpft wurden. Doch mit Abschluss der Reform kann Scheel nun langsam die Ernte einfahren. Und weil sie ein so einnehmendes Wesen hat, steht sie auch – anders als ihr Mitstreiter Metzger – seltener in der Kritik. Ihr Landesverband Bayern wählte sie jüngst gar mit der höchsten Stimmenzahl in den Landesparteirat. Und wenn sie heute ihren Preis erhält, wird sogar der Kanzler eine Laudatio halten. Das gefällt Scheel: „Es macht Spaß, wenn du nicht nur an die Wand rennst.“