Jede Menge Zeit für Albernheiten

■ Vier „hochkarätige“ Referenten diskutierten auf Einladung der Jungen Union auch ohne den CDU-Kultursenator Bernt Schulte über die strittigen Fragen der Bremer Kulturpolitik

Warum haben Sie eigentlich Ihren Kultursenator Bernt Schulte nicht eingeladen? Claas Rohmeyer, der Bremer Landesvorsitzende der CDU-Jugendorganisation Junge Union zögert kurz und antwortet dann: „Wir haben vier hochkarätige Referenten eingeladen.“ Ist denn Senator Schulte kein hochkarätiger Referent? „Rohmeyer wiederholt keck seine Antwort und eröffnet gleich darauf die erste von der Jungen Union verantwortete Debatte über Bremer Kulturpolitik. Im gut besuchten Vortragssaal des Übersee-Museums treten auf die Herren „Hochkaräter“ Klaus Pierwoß, Intendant des Bremer Theaters, Carsten Werner, Sprecher des Jungen Theaters, Bernd Hockemeyer, Kulturfreund, Unternehmer und Präses der Bremer Handelskammer, sowie CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff, der in der Bremer Kulturpolitik eine immer wichtigere Rolle spielt.

Die Abwesenheit des CDU-Kultursenators ist mehr als bemerkenswert. Denn nach dem monatelangen Gerangel um die Höhe der Kulturfinanzierung stehen erneut Richtungsentscheidungen an: Was bleibt von der Bremer Kultur noch übrig, wenn die Sanierungszahlungen des Bundes an Bremen Ende 2004 auslaufen? Soll die verbleibende Kulturförderung von einer reformierten Kulturabteilung organisiert werden oder durch die Controllinggesellschaft kmb, die dafür durch eine Gesetzesänderung beliehen werden muss? Wie berichtet, reiben sich die Koalitionäre aus CDU und SPD auch schon wieder seit Monaten an der Beantwortung dieser Fragen. Schultes Ressort arbeitet zwar laut Auskunft der immerhin im Publikum sitzenden Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) fieberhaft an einem Kulturentwicklungsplan. Doch der kürzlich in der „Welt“ veröffentlichte erste Entwurf ist so inhaltsleer, dass Eckhoff schlechte Schulnoten vergibt: „Das war vier bis fünf – bestenfalls.“

Eckhoff repräsentiert in dieser Veranstaltung den Mann mit Tatendrang. Ohne lauten Widerspruch auf dem Podium zu provozieren, bezeichnet er die Organisation der Bremer Kulturförderung in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ebenfalls als ungenügend. Deshalb kündigt er trotz des Vetos der SPD an: „Die Beleihung der kmb wird kommen.“ Nach dem Vorbild der in staatlichen Gesellschaften „privatisierten“ Wirtschaftsförderung will er nun auch die Kulturförderung privatrechtlich organisieren und wird darin von Handelskammerpräses Hockemeyer unterstützt. „Wenn auch das nicht besser funktioniert, müssen wir neu nachdenken“, sagt Eckhoff, der einfach will, dass etwas passiert.

Anders als die SPD lässt sich der CDU-Fraktionschef bislang nicht durch die Einwände aus der Kulturszene beeindrucken. Die Theatermänner Pierwoß und Werner schildern ihre Erfahrungen mit der kmb und rechnen in scharfer Form mit der Gesellschaft ab. Eine gemeinsame Telefonhotline, die Empfehlung, (längst bestehende!) Werbung im Internet zu machen, und mehrere andere Wissenslücken waren die Ergebnisse stundenlanger Marketingberatungen mit der kmb, berichten beide. „Ich lasse mir nicht die Zeit mit Albernheiten stehlen“, sagt Carsten Werner unter Beifall. Es wird offenbar: Zwischen der so genannten neuen Steuerungseinheit kmb und der organisierten Bremer Kulturszene klafft fast ein Jahr nach Gründung der Gesellschaft ein tiefer Riss. Eckhoff sucht trotz allem in neuen Strukturen die Heilung, doch Pierwoß, Werner und Co. haben mit Personen in den neuen Strukturen zu tun und können bis heute keinen Sinn in der Mehrarbeit namens Zusammenarbeit mit der kmb erkennen.

Das Problem dabei: Auch wenn besonders Pierwoß die ökonomistische Sichtweise des kmb-Chefs Volker Heller anprangert, kommen vor allem dessen Strukturanalysen bei entscheidenden Leuten gut an. Die darin formulierte Sprache wird im System von Haushalts- und FinanzpolitikerInnen verstanden. Wenn Heller keine Optimierungspotenziale mehr errechnet, hat das in diesem System ein größeres Gewicht als geisteswissenschaftlich untermauerte Bekenntnisse zur Bedeutung von Kunst und Kultur im Allgemeinen und zur Sparte X im Besonderen. Das kann man für beschränkt halten, und die schwartendicke Kosten- und Leistungsberechnung der gesamten Kulturszene kann unterm Strich sogar ziemlich teuer werden: Aber die unter Entscheidungsschwäche leidende politische Szene drängt auf Objektivierung aller Art oder zumindest auf Vorlagen, die einen solchen Anschein haben.

Immerhin wird es nach McKinsey, Culturplan, McGut und DocAcht zunächst kein weiteres größeres Gutachten im Kulturbereich geben. „Es gibt keinen Globalauftrag an die Unternehmensberatung Roland Berger“, betont Elisabeth Motschmann. Da hört Bernd Hockemeyer auf einmal „mehr Konsens als Dissens“. Eben noch hat er die erst im Sommer korrigierte Sparpolitik des Senats im Kulturbereich noch als „kontraproduktiv und zum Teil entwürdigend“ angegriffen. Jetzt ist er auffällig versöhnlich, wirbt – gerade in der kmb-Frage – um Verständigung und lobt Eckhoff gleich mehrfach. Der bekräftigt seine in der taz im Sommer erstmals öffentlich geäußerte Auffassung, dass der Kulturetat aus der 30-Prozent-Kürzungsquote der Finanzplanung herausgenommen werden soll: „Ich bin dafür, den Status quo festzuschreiben.“

Selbst dann wird die Bremer Kulturszene aber in vier Jahren unter den Bedingungen von Kosten- und Tarifsteigerungen nicht so aussehen wie heute. Eckhoff will außerdem wieder Platz für Neues schaffen und plädiert dafür, die Förderung bei Einrichtungen mit erheblichem Zuschauerschwund einzustellen. Da hagelt's Zwischenrufe, die auf die prompt bewilligten Sanierungsmillionen für das Musical „Jekyll & Hyde“ anspielen. So hat die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz seit den „Jekyll & Hyde“-Beschlüssen Probleme, das Sanierungsprogramm der Koalition mit dem Zwang zum Investieren und Sparen zu vermitteln. Darauf Eckhoff: „Wenn das Musical diese Zahlen nicht erfüllt, dann gilt das da auch.“ Und dann spricht der Herr noch: „Für die kmb-Beleihung brauche ich keine Gutachten. Ich kann das entscheiden“, sagt Eckhoff und strahlt ganz „hochkarätig“. Christoph Köster