Kaderkarussell in Minsk dreht sich

Weißrusslands Staatschef feuert die Chefs von KGB und Sicherheitsrat. Kritiker sehen darin Verschleierungstaktik

BERLIN taz ■ Weißrusslands autoritärer Staatspräsident Alexander Lukaschenko räumt auf: Anfang der Woche wurden die Chefs des KGB und des Sicherheitsrates sowie der Generalstaatsanwalt ihrer Posten enthoben. Zum neuen Chef des Geheimdienstes wurde der bisherige Leiter des präsidialen Sicherheitsdienstes, Leonid Jeryn, ernannt, die Führung des Sicherheitsrates übernimmt der bisherige Außenminister Ural Latypau.

Der Sprecher des Präsidenten, Mikolai Barysewitsch, war bemüht, den Vorgang als normalen personalpolitischen Wechsel darzustellen. Gleichzeitig räumte er ein, er könne nicht ausschließen, dass dieser Schritt die Unzufriedenheit Lukaschenkos mit mehreren Ermittlungsverfahren widerspiegele, die sich ergebnislos in die Länge zögen.

Hinter den sogenannten Ermittlungsverfahren verbergen sich die Schicksale mehrerer Oppositioneller, die, wie der Lukaschenko-Gegner Wiktor Gontaschar, seit über einem Jahr spurlos verschwunden sind. Im Falle des Kameramannes und Mitarbeiters des russischen Fernsehsenders ORT, Dmitri Zawadski, von dem seit Monaten jede Spur fehlt, hatte unlängst dessen Kollege Pawel Scheremet schwere Vorwürfe erhoben. Scheremet, der 1997 wegen einer Reportage über Schmuggel an der weißrussisch-litauischen Grenze im Gefängnis saß, hatte behauptet, Mitglieder von Lukaschenkos Sicherheitsdienst seien in den Fall Zawadski verstrickt.

Für Garri Pogonialo, Vizechef des Weißrussischen Komitees für Menschenrechte, liegt der Fall klar: So zeigten die jüngsten Entlassungen eindeutig, dass Lukaschenko die Wahrheit über das Verschwinden der Oppositionellen verschleiern wolle. In diesem Zusammenhang verwies Pogonialo auf den Umstand, dass die Entlassungen unmittelbar auf die Veröffenlichung einer anonymen E-Mail gefolgt seien. Darin behauptet ein Offizier des KGB, dass der Geheimdienst fünf Mitarbeiter des präsidialen Sicherheitsdienstes verhaftet habe, die zugegeben hätten, Zawadski getötet und ihn in der Nähe von Minsk verscharrt zu haben.

Mit einer anderen Interpretation der Kaderrotation wartete der jetzt im Exil lebende Präsident des letzten legitimen Parlaments, Semjon Scharetzki, auf. Im Zuge der russisch-weißrussischen Annäherung werde die weißrussische Staatsspitze von Weißrussen gesäubert und durch Russen ersetzt. „Damit ist das in diesem Land herrschende diktatorische Regime komplett russisch.“ BARBARA OERTEL