S.F.-Literatur: Pocahontas im Spacelab

■ Unter dem Titel „Out of this world“ stößt ein Kongress an diesem Wochenende mitten ins Herz

Von wegen die PDS sei ein Stein gewordener Altherrenwitz: Immerhin finanziert die PDS-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung einen höchst eigenwilligen Kongress, bei dem ergraute Professoren zusammen mit namhaften Feministinnen und frischgeföhnten de.bug-AutorInnen die Science-fiction-Literatur der letzten 30 Jahre tranchieren – und zwar mit politischen Hintergedanken. Christoph Spehr hatte nicht nur die Idee dazu, sondern stellte das Projekt auch auf die Beine. Wir sprachen mit dem Bremer Ex-Uni-Lehrbeauftragten und Buchautor (unter anderem „Die Ökofalle“).

taz: Vor drei Jahren versuchte schon einmal eine Art futurologischer Kongress an der Berliner Volksbühne die Alien-Metapher für das politische Verständnis unserer Zeit fruchtbar zu machen. Die Zeitschrift SPEX alias Mastermind Diedrich Diederichsen lud ein, um unter dem programmatischen Titel „Loving the alien“ der herrschenden Furcht vor anderen Kulturen/Denken/Fühlen Paroli zu bieten. Das Fremde als Bereicherung. Sie dagegen denken in ihrem Buch „Die Alien sind unter uns“ bei Aliens eher an „alienation“, die gute, alte Entfremdung.

Christoph Spehr: Das SPEX-Projekt knüpfte an den afrofuturistischen Diskurs in der Musik der 70er Jahre an, wo sich ein Sun Ra als Saturngeborener bezeichnete und Saxophonist Johnny Griffin jede Verwandtschaft mit der ihn umgebenden hinterhältigen Menschheit abstritt. Ich dagegen knüpfe ans Mainstream-Kino an, wo sich Außerirdische in die menschlichen Körper einnisten und sie steuern – und keiner merkt es, wie bei John Carpenters „Sie leben“. Das lese ich als Bild für moderne Herrschafts- und Ausbeutungsstrukturen. Im Kongress wird es um beide Komponenten des Alien gehen, und das Schöne an diesem Bild ist ja schließlich, dass man mit ihm ganz verschiedene Dinge anstellen und verstehen lernen kann.

Wie hat da auch noch der Feminismus Platz?

In den 70er Jahren gab es viele S.F.-Romane, die alternative Gesellschaftsentwürfe entwickelten, und sie stammen bezeichnenderweise meist von Frauen, teils mit explizit feministischem Hintergrund wie bei Joanna Russ und Marge Piercy, teils eher weniger, wie bei Ursula LeGuin. Heute gibt es ein Revival des Utopischen, und dabei unterscheiden sich die Ansätze von weiblichen und männlichen Autoren beträchtlich. Die Männer, etwa Brian W. Aldin und Roger Penrose, verlegen ihre Ideal einer konfliktfreien Gesellschaft auf den Mars. Dort regieren dann Wissenschaft und Vernunft. Octavia Butlers Xenogenesis-Trilogie erzählt dagegen von der gegenseitigen Befruchtung zwischen einer bankrotten menschlichen Zivilisation und einer fremden Spezies. Es geht um Fragen der Identität und Transformation: Wie vertragen wir letztere?

Die Sloterdijksche Überwindung des Menschlichen.

Dabei geht es aber nicht so sehr um gentechnische Ausweitung, sondern um eine kulturelle.

Euer prominentester Gast ist Klaus Theweleit.

Wie er Populär- und Popkultur liest ist maßstablich. Außerdem beschäftigt sich sein Pocahontas-Projekt mit dem Blick der Alten auf die Neue Welt: einerseits wird das eigene hineinprojiziert, andererseits das Fremde darin gesucht – und das ist genau unser Thema.

Werden bei den Podiumsdiskussionen die SPEXisten mit den akademischen Beamten klar kommen?

Mal sehen. Noch immer sind Pop- und Universitätsdiskurs leider sehr getrennt und auch die unterschiedlichen S.F.-Szenen tagen nicht zusammen. Bei uns treffen sich Utopieforscher mit S.F.-Autoren.

Zum Beispiel.

Erik Simon ist S.F.-Autor und Kritiker aus der ehemaligen DDR. Und das alte DDR-Problem der Verschlüsselung von Gesellschaftskritik – wann wird es platt, wann unverständlich? – hat sehr viel zu tun mit der Verschlüsselung, respektive Widerspiegelung von Gesellschaft im S.F.. Petra Mayerhofer ist Ingenieurin, feministische S.F.-Theoretikerin und vor allem Internetsurfern bekannt. Ihre Site www.fortunecity.de/tatooine/metropolis/100/feministische-science-fiction .html ist die spannendste Adresse zum Thema. Übrigens haben sich schon über 90 Personen bei uns angemeldet. Und die meisten haben vom Kongress übers Netz erfahren.

Fragen: bk

Zum Kongress kommen 16 ReferentInnen, u.a. Barbara Kirchner (konkret, de:bug), Dietmar Dath (Ex-SPEX-Chefredakteur und S.F.-Autor), Richard Saage (Professor für politische Theorie). Beginn Samstag, 13 Uhr im Cinema, ab 16 Uhr im Paradox, Bernhardstraße 12, Eintritt ist kostenlos.