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Gewalt und Liebe

Filme des jungen französischen Regisseurs François Ozon beim „Verzaubert“-Festival

Weil das Jahr 2000 geradezu prädestiniert scheint, möglichst vieles anders und manches damit sogar besser zu machen, hat man das „Internationale schwullesbische Filmfestival“ zu seinem zehnten Geburtstag kurzerhand in „International Queer Filmfestival“ umgetauft. Wurden da am Anfang noch lediglich ein paar Independent-Filme über Schwule und Lesben gezeigt, sind es inzwischen an die hundert kurze und lange, zunehmend auch teure Produktionen. Aber damit nicht genug. Denn eröffnet wurde das „Verzaubert“-Festival letzten Mittwoch sogar mit dem diesjährigen Berlinale-Preisträger „Tropfen auf heiße Steine“, François Ozons Verfilmung des gleichnamigen Bühnenstücks von Rainer Werner Fassbinder. Ein gelungener Auftakt.

Der junge, 33 Jahre alte französische Regisseur Ozon hat sich offensichtlich und nicht zuletzt aus persönlicher Verehrung intensivst mit dem Werk des deutschen Filmemachers beschäftigt. Entstanden ist dabei ein „Film in vier Akten“, wie ihn Fassbinder selbst zwar anders, sicher dunkler und wesentlich dramatischer, dennoch wohl kaum sehenswerter gemacht hätte.

Franz (Malik Zidi) ist süße neunzehn, als er dem weitaus älteren Geschäftsmann Leo (Bernard Giraudeau) begegnet und verfällt. Schnell, viel zu schnell wird die Liebe zur Abhängigkeit. Der junge Poet mutiert zum devoten Haushälter, während Leo ihn nach allen Künsten der Zuckerbrot-und-Peitsche-Methode in einem permanenten Wechselbad der Gefühle sowohl demütigt als auch liebt. Herrlich melancholisch, wenn Franz dann in der Badewanne in gebrochenem Deutsch Heine rezitiert: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.“ Unglaublich komisch hingegen das miefig-plüschige 70er-Jahre-Ambiente der Zweizimmerwohnung, in der sich das Drama abspielt.

Die witzigen Momente wirken allerdings immer auch ein wenig denunziatorisch, weshalb der Film zeitweise unentschlossen zwischen Melodrama und überspannter Komödie schwankt. Als später die ehemaligen Freundinnen der beiden dazustoßen – mit der einmal mehr atemberaubend leidenden Anna Thompson als transsexueller Ex von Leo –, arrangieren sich die Figuren in der Wohnung neu. Da kippt die Handlung letztlich in melodramatischen Zynismus um.

Fassbinder glaubte nicht an die Liebe. François Ozon tut das schon. Deshalb variiert er sie in allen seinen Filmen immer wieder aufs Neue, entwickelt dabei gleichsam eine diabolische Freude daran, sämtliche formellen, sexuellen und moralischen Konventionen zu sprengen. Nur zu gern widmet sich Ozon in seinen Filmen hitzköpfigen Jugendlichen auf der Schwelle zur Identitätsfindung.

All das schien den „Verzaubert“-Machern Anlass genug, dem neuen Wunderkind der internationalen Filmszene die diesjährige Hommage des Festivals zu widmen. Neben „Tropfen auf heiße Steine“ zeigt es drei weitere Spielfilme und vier Kurzfilme. Alle zeugen sie von einer seltsam beklemmenden Atmosphäre; unmöglich vorherzusehen, wohin das soeben Gezeigte in den nächsten Minuten führt. Unberechenbarkeit regiert. Zum Kinostart von „Tropfen auf heiße Steine“ werden am nächsten Donnerstag zusätzlich auch drei der brisantesten Kurzfilme Ozons („Regarde la mer“, „La petite mort“ sowie „Une robe d’été“) als Paket gezeigt. PAMELA JAHN

Das „Verzaubert“-Festival läuft noch bis Mittwoch, 6. 12., in den Kinos Hackesche Höfe 1–3, Rosenthaler Straße 39;am Mi., 23 Uhr, „Les amants criminels“von François Ozon, Kino 3

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