MIT UMWELTSCHUTZ HAT DIE ENTFERNUNGSPAUSCHALE NICHTS ZU TUN
: Füllhorn für Vielfahrer

Angeblich will die Bundesregierung Fahrradfahrer entlasten. Wer mit dem Velo zur Arbeit strampelt, bekommt künftig 60 Pfennig pro Kilometer – so haben es SPD-Landesfürsten mit Kanzler Schröder ausbaldowert. Doch tatsächlich ist es nicht Ziel der geplanten Entfernungspauschale, sportliches Engagement oder dadurch verursachte Minderausgaben der Krankenkassen zu fördern. Vielmehr sollen pendelnde Autofahrer einen höheren Ausgleich für gestiegene Benzinpreise erhalten: Wer mehr als zehn Kilometer mit dem Auto zur Arbeit fährt, darf künftig 80 statt bisher 70 Pfennig pro Kilometer bei der Steuer geltend machen.

Weil aber selbst Autokanzler Schröder klar war, dass dies mit seinem kleinen Koalitionspartner nur dann machbar ist, wenn die Änderung unter dem Stichwort Entfernungspauschale laufen kann, profitieren jetzt auch Busnutzer und Radler. Mit Umweltpolitik hat das alles nichts zu tun. Denn je billiger es wird, ins Umland zu fahren, desto weiter reisen die Leute zur Arbeit an. Das ifo-Institut hatte vor ein paar Jahren ausgerechnet, dass sich Menschen mit einem langen Arbeitsweg schon bei der bisher geltenden Regelung locker auf Kosten der Allgemeinheit ihren Kleinwagen finanzieren können. Zudem haben bisher viele Bus- und Bahnnutzer beim Fiskus behauptet, sie würden mit dem Auto kommen, um die höhere Pauschale abzurechnen. Warum sie bei einer Differenz von nach wie vor 20 Pfennig darauf verzichten sollten, wie die SPD jetzt annimmt, bleibt rätselhaft.

Letztendlich wird die Regelung die öffentliche Hand wohl knapp zwei Milliarden Mark kosten. Auto- und Ölindustrie werden das goutieren. Dennoch lobt SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß die Regelung als „wichtigen und überfälligen Schritt in die richtige Richtung“. Die Grünen haben Protest angemeldet. Doch wie ernst das zu nehmen ist, wird sich noch zeigen. In den vergangenen Wochen waren sie mit einer Pauschalregelung von 80 Pfennig für alle einverstanden.

Tatsächlich in die richtige Richtung ging einst ausgerechnet Exfinanzchef Theo Waigel (CSU). Angesichts leerer Kassen wollte er 1996 durch Abschaffung der Kilometerpauschale für Autos etwa 3,5 Milliarden Mark sparen und sie durch eine Entfernungspauschale für alle Verkehrsmittel in Höhe von 20 Pfennig ersetzen. Doch seine Steuerreform scheiterte. Und Waigels Nachfolger Oskar Lafontaine ließ das Thema 1998 dann sang- und klanglos von der Liste der zu streichenden Vergünstigungen verschwinden. ANNETTE JENSEN