Das Stück zum Geldschein

■ Die Shakespeare Company widmet den Märchengebrüdern Grimm ein Stück und klärt darüber auf, dass schon Ernst August senior genervt hat

Was sind wir arme Schweine. Wären wir das nicht, könnten sich viele rühmen, ein geradezu intimes Verhältnis zu den Brüdern Grimm zu unterhalten, ziert ihr beider Antlitz doch den 1.000-Mark-Schein. Die meisten aber kennen diesen exotischen Portemonnaie-Bewohner nur vom Hörensagen. Und wenn erst mal der Euro regiert und die Computerkids von morgen Hänsel & Gretel für einen Grippevirus halten, was wird dann noch erinnern an die beiden Märchenonkel aus Hanau?

Ein Theaterstück vielleicht, eines, das in dieserWoche im Theater am Leibnizplatz Uraufführung feiert und die Geschichte der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm erzählt. Kaum mehr weiß man gemeinhin über sie, als dass sie Kinder-, Hausmärchen und Sagen gesammelt und das Deutsche Wörterbuch publiziert haben. Ein, so will man meinen, durchaus ehrenwertes Leben, aber auch eines, das nicht mal genug Stoff für eine staubtrockene Kurzgeschichte abwirft. Das Theaterstück „Die Gebrüder Grimm“, geschrieben von Shakespeare Company-Mitbegründerin Dagmar Paula, will beweisen, dass das ein Irrtum ist.

Denn trotz einer weitgehend von wissenschaftlichen Interessen geprägten Existenz bettet sich das Leben der Begründer der Germanistik ein in den Vormärz, jene turbulente Epoche deutscher Geschichte, die in der Vita des Brüderpaars wiederholt Spuren hinterlassen hat. Die Grimms, die Kontakte zu illustren ZeitgenossInnen wie Clemens Brentano, Annette von Droste-Hülshoff, Brentanos Schwester Bettina von Arnim (Fünf-Mark-Schein) und ihrem Ehemann Achim pflegten, zählten zu den berühmten Göttinger Sieben. Diese Gruppe demokratischer Professoren weigerte sich 1837, den Verfassungsbruch des konservativen Königs Ernst August von Hannover zu akzeptieren, weshalb sie der Vorfahr des pinkelnden Schlägers unserer Tage von der Universität vertrieb. 1848 zählte Jacob Grimm zu jenen, die in der Frankfurter Paulskirche eine deutsche Verfassung entwarfen.

Barrikadenkämpfer aber waren die Grimms nicht, eher „Intellektuelle, die das Treiben aus der zweiten Reihe betrachteten, plötzlich ins Rampenlicht gerieten und so zu Oppositionellen wider Willen wurden“, sagt Regisseur Jürgen Kloth. Gerade darin aber sieht Kloth ihre Zeitgenossenschaft: „Wie die meisten Menschen heute verfolgten die Grimms in erster Linie ihre Karriere – bis sie die Umstände dazu zwangen, sich den Schwierigkeiten des aufrechten Gangs auszusetzen.“ Auch das Privatleben der Grimms hat durchaus moderne Züge. Nach Wilhelms Heirat mit Dortchen lebte das Paar gemeinsam mit dem älteren Bruder Jacob jahrelang in einer Art Kommune zusammen.

Neben diesem Trio wird eine vierte Person auf der Bühne zu sehen sein: Bettina von Arnim, dargestellt von Papula selbst, die zeitlebens eine innige Beziehung zu den Grimms pflegte. Das Leben dieser schillernden Frauenfigur des 19. Jahrhunderts hatte Papula bereits früher einmal zu einem Stück angeregt. In den anderen Hauptrollen sind Norbert Kentrup und der bekannte Schauspieler Martin Lüttge als die Brüder Grimm sowie Marlen Breitinger als Dortchen Grimm zu sehen. Als Kostümbildner konnte der Modedesigner Maciej Siemen gewonnen werden, der mit stilistisch postmodernen Kleidern ebenfalls dafür sorgen wird, dass Kloths Ankündigung wahr wird: „Das Stück ist kein Historienschinken, sondern ein modernes Märchen, das nicht für Kinder gemacht ist.“ Franco Zotta

Uraufführung: 6. Dezember, 19.30 Uhr bei der Bremer Shakespeare Company im Theater am Leibnizplatz. Infos: Tel. 500 333; www.shakespeare-company.com