Mickey Mouse mit Magenkrämpfen

Größer als Disney sollte Thomas Haffas EM.TV werden, die „Muppet Show“ und die Formel 1 gehörte ihm bereits. Jetzt muss Onkel Kirch rettend eingreifen – die Aktien des ehemaligen Wunderkindes stürzen derweil auf einen historischen Tiefstand

von STEFFEN GRIMBERG

Sein großes Vorbild heißt Michael Eisner. Die Biografie des Disney-Chefs, gab der EM.TV-Erfinder Thomas Haffa im lässigen Plauderton auf der letzten Hauptversammlung seiner Programmhandels- und Merchandising AG zum Besten, habe er mit Gewinn gelesen. Und die große Maus war stets ein Leitmotiv des charmanten Marketingexperten in eigener Sache: So groß wie Disney sollte EM.TV werden, größer sogar.

Damit ist zunächt mal Schluss: Aufräumen im eigenen Laden ist angesagt, um wenigstens den Deal mit Deutschlands mächtigstem Filmrechte- und Lizenzhändler Leo Kirch unter Dach und Fach zu bringen. 16,8 Prozent der EM.TV-Anteile will die Kirch-Gruppe übernehmen, dazu erhält sie 25 Prozent der Stimmrechte und damit eine Sperrminorität. Außerdem steigt Kirch wie erwartet in die For- mel 1 ein. EM.TV hatte in einem spektakulären Deal im Februar die Hälfte der Autorenn-Holding SLEC von Formel-1-Impressario Bernie Ecclestone gekauft, 49 Prozent dieser Anteile gehen jetzt an Kirch. Der bezahlt mit 500 Millionen Dollar – und der Kirch-Hälfte am gemeinsamen Kinderprogramm-Vermarkter Junior TV, dessen genauen Wert jetzt erst einmal ein Gutachten ermitteln soll.

Zwar sieht Thomas Haffa die Zukunft seines Unternehmens durch die strategische Partnerschaft mit seinem ehemaligen Arbeitgeber – Haffa hatte von 1979 bis 1989 für Kirch u. a. dessen Merchandising-Geschäft aufgebaut – gesichert und auch gleich „einen neuen Abschnitt in der Geschichte von EM.TV“ heraufdämmern. An der Börse blieb es zunächst aber dunkelste Nacht: Nach Ankündigung der gar nicht so wundersamen Rettung durch Kirch gab der Kurs (Jahreshöchststand 120 Euro) noch einmal um fast 40 Prozent nach und lag zeitweilig unter 10 Euro.

Der Sturz ins Bodenlose hatte schon am Freitag begonnen. Frecherweise nach Börsenschluss hatte da EM.TV die Gewinnerwartung reduziert. Nicht um Peanuts, sondern eine satte halbe Milliarde Mark – von rund 600 angepeilten Millionen seien maximal noch 50 Millionen realistisch. Am späten Sonntagabend trat dann noch Thomas Haffas kleiner Bruder und Firmenmitgründer Florian, als stellvertretender Vorstandschef vor allem für die Investor Relations zuständig, zurück – „weil er das Vertrauen bei Investoren und Aktionären“ wohl verloren habe. Seinen Posten als Finanzvorstand hatte er schon im November an Rolf Rickmeyer abgegeben.

Hintergrund waren angeblich von Florian Haffa zu verantwortende Rechenfehler im Zusammenhang mit dem Kauf der Jim Henson Company: Der hatte EM.TV zwar einerseits die Weltrechte an Kermit dem Frosch und dem Rest der Muppet-Show gesichert, durch die krude Bilanzierung des Deals aber bereits im Oktober für einen satten Kurssturz der EM.TV-Aktie gesorgt.

Die liebevolle Teilumarmung durch die Kirch-Gruppe konsolidiert jetzt ohnehin nur eine längst bestehende Allianz beider Unternehmen: Leos Sender waren schon immer Hauptabnehmer für EM.TV-Programmware. In der Branche wird zudem spekuliert, dass hier durch interne Verrechnungsmodelle ein Teil des bis in den Sommer über EM.TV hereingebrochenen Börsensegens an die nicht börsennotierten Kirch-Unternehmungen weitergeleitet wurde. Dass der größte Teil der Einnahmen beim Marktführer in Sachen Kinderfernsehen ausgerechnet von Kirchs Vollprogramm Sat.1 kam, hatte schon 1998 die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre kritisch angemerkt. Durch diesen Deal, so damals Branchenkenner, sei das Gros der EM.TV-Programmware für die meisten anderen deutsche Sender schlicht uninteressant.

Trotz des Kirch-Einstiegs, den beide Seiten auch nicht wirklich als „Rettungsaktion“ sehen wollen, heißt der EM.TV-Leitfrosch weiter Thomas Haffa. Ihm, dem Selfmademan, war vor allem ein Kapitel der Eisner-Biografie nahe gegangen: das, in dem der Disney-Chef von seinem Start beim damals angeschlagenen Mickey-Mouse-Imperium 1984 schreibt – und darüber, wie er es wieder auf Kurs gebracht hat.