Spaßfaktor wie Bettenmachen

Umweltpapier kämpft seit Jahren mit schlechtem Image. Dabei ist es technisch gleichwertig und ökologisch besser

BERLIN taz ■ Das Recyclingpapier steckt in der Krise. Seit Jahren sinkt der Anteil am Papiermarkt. Das liegt vor allem am Image, sagt die Wirtschaftsinitiative „Pro Recyclingpapier“, die sich zum 1. Forum Recyclingpapier in Berlin traf.

Altpapier sei schlicht „out“. Peter Weinberg, Leiter des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung in Saarbrücken, sagte: „Recyclingpapier liegt vom Spaßfaktor her irgendwo zwischen Spülen und Bettenmachen.“ Vom Verstand her sei jedem klar, Altpapier ist die ökologisch sinnvolle Alternative zu Frischfaserpapier. Das belegt auch die in diesem Sommer vorgestellte Ökobilanzstudie des Umweltbundesamtes. Aber Kaufentscheidungen sind immer auch emotionale Entscheidungen. Weinberg hat herausgefunden, dass Frischfaserpapier von Kunden als qualitativ ansprechender empfunden wird. Es fühlt sich besser an und ist in der Regel weißer als Recyclingpapier. Altpapier dagegen erzeugt Bilder von Müllkippen: „Die Menschen nutzen Papier zur Selbstdarstellung, als Ausdruck der Persönlichkeit. Niemand will sich mit einer Müllkippe identifizieren lassen.“

Das schlechte Image von Recyclingpapier stammt noch aus den Anfängen der Papierwiederverwertung. In den 70er-Jahren wurden in der Schweiz erste moderne Recyclingverfahren entwickelt. Damals war das Papier noch grau und grobfaserig. Kopiergeräte kapitulierten regelmäßig beim Einsatz von Recyclingpapier. Das ist heute anders. Recyclingpapier steht konventionellen Papieren aus technischer Sicht in nichts mehr nach. Dennoch hält sich hartnäckig das Gerücht, Recyclingpapier sei minderwertige Ware, wie eine Studie der „Initiative Pro Recyclingpapier“ belegt. Von 160 befragten Unternehmen, Behörden und Ministerien gaben 44 Prozent an, dass der Einsatz von Recyclingpapier aus technischen Gründen schwierig sei.

Für den Privatanwender aber ist die entscheidende Frage: Wie weiß ist das Papier? Der ökologisch orientierte Büroartikel-Versand Memo AG hat darauf eine neue Antwort gefunden: Das Recyclingpapier bei Memo ist – in bester Qualität – „naturweiß“. Memo-Vorstand Jürgen Schmidt will mit diesem Begriff eine „positiv besetzte Produktwelt“ aufbauen. Seit es naturweißes Papier gibt, steigt der Absatz von Recyclingpapieren bei Memo wieder.

Barbara Mauré, Papierexpertin beim Naturschutzbund, weiß, warum immer weniger Recyclingpapier verkauft wird. Vor allem konventionelle Papierhersteller und Handelsketten setzen auf eigene Ökolabels. Darin werben sie mit „chlorfrei gebleicht“ oder „garantiert tropenholzfrei“. Dabei sind fast alle Papiere inzwischen ohne Chlor gebleicht, und Tropenholz eignet sich gar nicht zur Papierherstellung. Barbara Mauré: „Das ist bewusste Irreführung. Der Kunde glaubt, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, wenn er klassisches Frischfaserpapier kauft.“ Sicher sei nur der vom Umweltbundesamt vergebene blaue Umweltengel.

THORSTEN DENKLER

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