: Design ist Chefsache
■ Das Wagenfeld-Haus muss als Bühne der Wirtschaftsförderer herhalten / Qualität ist kein Kriterium für Designförderung
„Designförderung ist Wirtschaftsförderung“, sagt Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) unmissverständlich. Sein Wille geschieht. Dafür sorgt das Designzentrum Bremen. Es verteilt des Senators Fördermittel nach streng wirtschaftlichen Kriterien an mittelständische Unternehmen. Bevor es eine Zusage gibt, wird erstmal geprüft: Hat das Unternehmen überhaput ein Anliegen, das mit gestalterischen Mitteln zu lösen ist? Will das Unternehmen sein gesamtes Erscheinugsbild ändern, oder geht es nur um kosmetische Korrekturen?
Bei einem förderungswürdigen Projekt muss der Unternehmer Angebote von mindestens zwei Designbüros einholen. Die prüft das Designzentrum dann noch darauf hin, ob sie einen Umsatzzuwachs versprechen – nicht auf ihre gestalterische Qualität. Schließlich, siehe oben, ist Designförderung Wirtschaftsförderung, und das nicht nur für die Designerzunft, sondern auch für ihre KundInnen. Die können sich dann maximal die Hälfte ihrer Designausgaben aus dem Fördertopf erstatten lassen – höchstens 40.000 Mark.
Vier Millionen Mark hat Bremen so in den letzten zehn Jahren ausgegeben. Kein anderes Bundesland verfügt über eine vergleichbare Förderung. Übertriebener Luxus? Nein, immerhin konnte mit dem Bremer Geld ja eine Komplementärfinanzierung durch die Unternehmen in gleicher Höhe eingeworben werden. Sozusagen eine public-private-partnership im Dienste einer schöneren Umwelt. Schöner? Da fangen die Probleme an.
„Design ist Chefsache“, sagt Klaus Berthold, Leiter des Design Zentrums. Und wie die Chefs, so das Design – daran ändert auch die öffentliche Förderung nichts. Zu besichtigen ist die gestaltete Vielfalt jetzt im Wagenfeld-Haus. Beispiele aus fünf Jahren Designförderung sind da versammelt, die den Betrachter zum Teil etwas ratlos hinterlassen. Zum Beispiel die modernistisch auf einem I-Mac-Monitor präsentierte, aber bieder gestaltete Feld-, Wald- und Wiesen-Website der Buchandlung Geist (www.buchgeist.de). Der Online-Gang eines Unternehmens ist ohne ein – natürlich neues – Design gar nicht möglich. Da kann man das bisschen Fördergeld doch ruhig mitnehmen. Oder die Klebstoff-Spritzpistole der Firma Bühnen: In den Entwürfen hatten sich die DesignerInnen richtig ausgetobt, bunte Handkanönchen auf Papier gezaubert, die einen Captain Kirk vor Neid hätten erblassen lassen. Und was ist herausgekommen? Fast das selbe Gerät wie vorher, eine ernüchternd-funktionale schwarze Plastikpistole, die Kleberesten keinen Halt bietet. Ein klobiges Industriewerkzeug, aber wahnsinnig praktisch.
Frustriert das die DesignerInnen? „Nein“, glaubt Ausstellungsmacherin Ulrike Fennert, „das gehört für sie dazu. Sozusagen als Akquise.“ Auch für die Immobilienverwaltung Müller&Bremermann mussten die DesignerInnen viele unnötige Gedanken aufwenden. Die Firma, die offensichtlich in den späten 60ern zuletzt an ihrem Erscheinungsbild gefeilt hatte, war für einen jungen Entwurf mit stilisierten Häusern nicht zu gewinnen und zog doch spießige Antiqua-Lettern auf hanseatisch-blau vor – die gelebte Solidität eben.
Berthold findet so etwas gut: „Wer Plüsch verkauft, soll auch ein entsprechendes Design haben dürfen“, sagt er. Schließlich soll das den Umsatz fördern. Seine Aufgabe sieht er darin, den UnternehmerInnen diese Möglichkeit aufzuzeigen: „Viele Mittelständler halten die Designer für bösartige Menschen, die ein paar Luftblasen loslassen und sich mit ihrem Geld vom Hof machen.“ Dass sich Design wirklich lohnt, kann Berthold zwar schwer beweisen – „schließlich tragen zum Umsatz zu viele Faktoren bei“ – aber in seiner Überzeugungsarbeit scheint er erfolgreich zu sein. Zumindest ist die Zahl der Bremer Designbüros in zehn Jahren Designförderung von 100 auf 200 gewachsen.
Und manche von ihnen sind durchaus im Dienste der Schönheit tätig: Allen voran natürlich die Stars der Szene Ulrike und Detlef Rahe, die mit der Inneneinrichtung des neuen Atlantic-Hotels am Universum das Kunststück vollbracht haben, kompromisslose Moderne mit warmer Gemütlichkeit zu versöhnen. Oder Ninous Tatari: Eigentlich sollte er eine Lichtquelle für Lithophanien entwerfen, grässlich kitschige Reliefs aus hauchdünn geschliffenem Stein, durch die mildes Licht fallen soll. Herausgekommen sind wunderbar elegante Leuchten, die mit einem Schirm ohne historisierendes Bildmotiv durchaus das Zeug zu modernen Klassikern haben. Nicht unterschlagen werden soll hier der Tierarzt im Viertel, der sich von einer Designfirma zum kompletten Imagewechsel überzeugen ließ. Über seine einst ungestalteten Visitenkarten springen heute stilisierte Katzen und Hunde, seine Praxis ist überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen: Wo einst Wandtäfelungen und falsche Topfblumen den Ton angaben ist heute eine Oase mitten in der Stadt entstanden, für die man sich schon fast ein krankes Haustier erfinden möchte.
Insgesamt dominiert in der Ausstellung aber die Beliebigkeit. Sie wird wohl eher an Fördermitteln interessierte Unternehmer anziehen als das designbegeisterte Publikum. Warum die Leistungsschau mit dem schmissigen Titel „Bremen in Form“ dazu über vier Monate das Wagenfeld-Haus blockieren muss, ist eigentlich nicht zu verstehen. Das Foyer einer Sparkassenfiliale hätte es auch getan. Dort wäre wohl auch die misslungene Gestaltung der Ausstellung nicht ganz so unangenehm aufgefallen: Fast schon manisch wiederholen sich allenthalben jene Kringel, die das Vorbild Wilhelm Wagenfeld einst für das Vorwerk-Logo entworfen hatte. Was seinerzeit auf Staubsaugern noch originell war, wirkt Jahrzehnte später in tausendfach manierierter Wiederholung nur noch abgeschmackt, aufgesetzt und nervtötend. Vielleicht wird es Zeit, dass das Design-Zentrum bei sich selbst die Förderung einer neuen corporate identity beantragt. Jan Kahlcke
Die Ausstellung ist bis zum 1. April (kein Scherz!) im Wagenfeld-Haus zu sehen (Di 15-21 Uhr, Mi bis So 10-18 Uhr)
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