Hungern für die Rückkehr

Zwei türkische Gefangene im Gefängnis Brandenburg sind seit elf Wochen im Hungerstreik. Der Grund: Im Gegensatz zu vielen anderen nichtdeutschen Gefangenen wollen sie in ihre Heimat überstellt werden. Solche Verfahren sind jedoch langwierig

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Während die wenigsten ausländischen Gefangenen in deutschen Haftanstalten Lust darauf verspüren, ihre Strafe in ihren Heimatländern abzusitzen, reißen sich zwei türkische Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel geradezu darum. Um ihrem bisher nicht beschiedenen Wunsch auf Überstellung Nachdruck zu verleihen, befinden sich die beiden Männer, die 1999 bzw. 1998 zu 12 bzw. 13 Jahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt wurden, seit elf Wochen in einem Hungerstreik. Nach eigenen Angaben verweigern sie seit zwei Wochen jegliche ärztliche Betreuung.

In einem Schreiben an die taz begründen die beiden Gefangenen ihren Wunsch damit, dass ihre Familien und Kinder in der Türkei leben. Diese hätten keine Möglichkeit, sie zu besuchen. Einer der Gefangenen beklagt, dass er bereits seit vier Jahren in deutschen Gefängnissen sitze und bis heute weder eine positive noch eine negative Antwort auf seinen Antrag erhalten habe.

Ausländische Gefangene haben kein formelles Recht zu einem Antrag auf Überstellung, sie können lediglich den Wunsch äußern. Bisher ist eine Überstellung nur dann möglich, wenn der Gefangene zustimmt. Das aber ist höchst selten der Fall, weil die Haftbedingungen in Deutschland meist besser als in den jeweiligen Heimatländern sind.

Der Pressesprecher des Brandenburger Justizministeriums, Rolf Hellmert, bestätigte gestern der taz das Andauern des Hungerstreiks. Die Inhaftierten würden von der Anstaltsleitung mit Flüssigkeit versorgt. Der Sprecher verwies darauf, dass es sich um ein „formal strenges Verfahren“ handele, das im Rahmen des internationalen Vollstreckungshilfeverkehrs „lupenrein geprüft“ werden müsse und deshalb lange dauern könne.

Bei dem seit 1992 für die Bundesrepublik geltenden „Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen“ geht es auch darum, dass mit dem Absitzen der Haftstrafe im Heimatland „der gesellschaftlichen Wiedereingliederung eines Straftäters besser Rechnung getragen werden kann“.

Die Bundesregierung verwies im Juli dieses Jahres in einer Antwort auf eine große Anfrage im Parlament jedoch auf „besonders ausgeprägte Hinderungsgründe für eine Überstellung“. Einer davon lautete: „In der Türkei können verurteilte Türken generell damit rechnen, bereits nach Verbüßung von 42 Prozent der gegen sie verhängten Strafe entlassen zu werden. Da eine Entlassung nach Verbüßung von nur 42 Prozent der Strafe in der Regel dem deutschen Strafverfolgungsinteresse nicht genügt, scheitert häufig eine Überstellung in die Türkei.“