Schwarzer Montag für Al Gore

Der demokratische Präsidentschaftskandidat musste vor dem Bezirksgericht in Tallahassee eine vernichtende Niederlage einstecken. Nun entscheidet Floridas Oberstes Gericht über den Ausgang und die Fairness der Wahl in dem Bundesstaat

aus Washington PETER TAUTFEST

Als Schwarzen Montag dürfte Al Gore den 4. Dezember 2000 in Erinnerung behalten, als den Tag, an dem gleich zwei Urteile im Endeffekt zu seinen Ungunsten ausgingen. Konnte man das Urteil des Supreme Court in Washington noch als neutral auslegen – verwies es doch nur das Urteil des floridianischen Oberlandesgerichts, das die Frist zum Auszählen von Stimmen verlängert hatte, an Floridas oberstes Gericht mit der Bitte um Klarstellung zurück – so war das Urteil des Bezirksrichters N. Sanders Sauls in Tallahassee eine vernichtende Niederlage.

In nicht einem einzigen Punkt gab er Gore Recht. Weder hatten die Wahlvorstände in den Landkreisen Palm Beach und Miami-Dade ihren Ermessensspielraum falsch ausgelegt, als sie es ablehnten, alle Wahlscheine, die eine Zählmaschine als unlesbar ausgespuckt hatte, von Hand auszuzählen, noch hatte Gore durch statistische Analysen den Beweis erbracht, dass ein Neuauszählen von Stimmen den Wahlausgang ändern würde. Für Gore muß es tief frustrierend sein, am gleichen Tag vom Gericht abgewiesen worden zu sein, da der Miami Herald meldete, dass dessen eigene statistische Analyse Gore einen Stimmenvorsprung von ca. 24.000 gibt. Beide Urteile liegen jetzt vor Floridas Oberstem Gericht.

Gores Aussichten sind nicht gut. Erstens neigen Berufungsinstanzen dazu, weniger die eigentliche Beweiserhebung vor unteren Gerichtsinstanzen anzuzweifeln als deren korrekte Anwendung der Gesetze im gegebenen Fall. Zweitens hat das floridianische Oberlandesgericht vom Supreme Court eine wohl meinende Ermahnung erhalten, bei der Ausformulierung seiner Urteile mehr Sorgfalt anzuwenden.

Unerwartete Hilfe könnte Gore allerdings aus einer ganz anderen Ecke bekommen. In zwei Landkreisen sind Verfahren anhängig, die mehrere 10.000 Briefwahlstimmen für ungültig erklären sollen. Bei der Bearbeitung der Anträge auf Briefwahl war es in den Landkreisen Seminole und Martin nicht mit rechten Dingen zugegangen – wohl gemerkt, bei den Anträgen, nicht bei den Briefwahlscheinen selber, und das macht die Sache schwierig. Die in diesen Landkreisen eingegangenen Anträge waren von republikanischen Parteiarbeitern nachbearbeitet worden – es fehlten Angaben. Nicht nur ist das ausdrücklich verboten – Anträge von Demokraten auf Briefwahl, die ähnlich unvollständig waren, blieben unbearbeitet liegen. Sollten diese Wahlscheine, die im Verhältnis 2:1 für Bush stimmten, für ungültig erklärt werden, wäre Gore der Gewinner der Wahl in Florida. Welcher Richter aber wird Wahlzettel für ungültig erklären, die Wähler ohne eigenes Verschulden ordnungsgemäß eingeschickt haben?