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Ihr Rinderlein, kommet!

Millionen Rinder wollen erst mal getötet sein. Allein in Deutschland kostet die Großoffensive 150 Millionen Mark

von MAIKE RADEMAKER

Einig in der Not: Nach langem Zögern hat sich der EU-Agrarministerrat entschlossen, mit einem Maßnahmenpaket in die Rinderwirtschaft einzugreifen. Damit will man dem Vormarsch der Rinderseuche BSE begegnen. Nun müssen ab dem 1. Januar alle Schlachtrinder, die älter als 30 Monate sind, auf BSE getestet werden, und es darf mindestens sechs Monate europaweit kein Tiermehl verfüttert werden. Getestet werden nur die älteren Tiere, weil fast alle BSE-Fälle bei Tieren diagnostiziert wurde, die älter als 36 Monate waren. Nach dem Test dürfen nur nachweislich BSE-freie Tiere weiterverarbeitet werden. Alle anderen werden vernichtet. Darüber hinaus soll „Risikomaterial“ wie Därme vernichtet werden. Mit dem Maßnahmenpaket soll BSE als mutmaßlicher Auslöser der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen bekämpft werden. Bei Kälbern wird der Test nicht durchgeführt, da bislang keine sichtbar erkrankten Jungtiere gefunden wurden und die Tests nichts nachweisen können. „Wesentlich sensiblere Tests sind wünschenswert“, sagte ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums (BML). Zur Zeit seien aber keine auf dem Markt.

Das wird teuer

Ungeklärt ist, wer für die Kosten der Aktion aufkommt. Immerhin schätzt die Europäische Union allein die Kosten für das Tiermehlverbot auf rund drei Milliarden Mark. Aufkauf und Schlachtung hier zu Lande kosten den Bund etwa 150 Millionen Mark. Diese Kosten müssen laut Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke die Länder tragen. Für nicht verwertbare Tiere erhalten Bauern 70 Prozent des Marktwertes als Entschädigung von der EU. Weitere Details sind laut einem Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums bislang nicht geklärt. Es sei aber nicht ausgeschlossen, so der Sprecher, dass „der Verbraucher für eine hohe Qualität möglicherweise tief in die Tasche greifen muss“.

Treffen wird die Testregelung besonders Bauern in Frankreich und der Bundesrepublik. Sie haben zusammen rund 45 Prozent des europäischen Rinderbestandes. In Deutschland gibt es 14,6 Millionen Rinder, davon sind aber lediglich 6,5 Millionen Tiere älter als zwei Jahre. Das größte Problem wird, unabhängig davon, ob mit dem Paket tatsächlich der Rinderwahn aus der Welt geschafft wird, wohl das Tiermehlverbot sein. Allein in Deutschland werden davon bisher 650.000 Tonnen hergestellt. Es soll in Zementwerken, Müllverbrennungs- und Biogasanlagen verwertet werden. Laut BML wird an „weiteren technischen Anwendungen“ gearbeitet, man hofft auf den „beflügelten Tüftlergeist“.

An den sechs Instituten, die den größten Teil der BSE-Tests durchführen müssen, wird fieberhaft am Ausbau der Kapazitäten gearbeitet. Rund 100 Mark kostet der Test pro Rind. Anfragen auf Testmöglichkeiten kommen dabei laut Finn Zedler, Leiter des Artus-Instituts in Hamburg, auch schon aus Österreich und Belgien. Probleme sieht Zedler eher bei den wartenden Schlachthöfen als im eigenen Institut: „Der Test dauert nun einmal zwölf Stunden.“ Durch den Zeitverzug könnten Schlachthöfe gezwungen werden, Tiere ohne Tests zu vernichten.

Auch in den deutschen Schlachthöfen, wo schon ab heute die älteren Tiere getestet werden, bereitet man sich vor. „Wir erarbeiten derzeit ein Konzept“ erklärt der Marketingleiter der Eberswalder Fleischwarenfabrik, Helmut Spann. Um ein verlässliches Ergebnis zu gewährleisten, müsse das Tier von der Schlachtung bis zur Zerlegung kontrolliert werden. „Wir müssen uns den Anforderungen stellen.“

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