Gefährlich gute Propaganda

Der italienische Medien-Gottvater und Oppositionsführer Berlusconi ärgert sich über TV-Spots der Regierung, die auf seinem eigenen Sender laufen. Jetzt will er sogar gerichtlich vorgehen

aus Rom MICHAEL BRAUN

„Mittäterschaft beim Bruch des Gesetzes“, diesen rüden Vorwurf fanden die Manager der Berlusconi-Holding Mediaset am Dienstag in ihrer Post. Und die Drohung mit der Justiz folgte auf dem Fuße: „Für Ihr Verhalten werden Sie sich vor den zuständigen Stellen zu verantworten haben.“

Für Staunen sorgte aber weniger der Inhalt als der Autor der ruppigen Epistel. Der Mediaset-Gottvater selbst hatte seiner eigenen Firma geschrieben, und er regte sich über etwas auf, was ihm sonst heilig ist – über einen TV-Werbespot. Aus in seinen drei TV-Kanälen ausgestrahlten Spots stammt Silvio Berlusconis immenses Vermögen; mit einer Flut von Fernsehspots lancierte er auch seine politische Karriere. Jetzt aber lancierten die Falschen ein TV-Propaganda-Filmchen: In diesen Tagen schaltete die Regierung eine Reihe von Spots, um sechs Monate vor den Wahlen ihre Leistungen ins rechte Licht zu rücken.

Dazu ist sie nach italienischem Gesetz berechtigt: Außer in den letzten 45 Tagen vor einem Wahlgang steht es ihr frei, über ihre Arbeit zu informieren. Üblicherweise regt sich Berlusconis oppositionelles Rechtsbündnis auch nicht groß auf, wenn in meist drögen Kurzfilmen neue Gesetze zum Unfallschutz oder zur Sicherheit von Kinderspielzeugen präsentiert werden. Der jetzt inkriminierte Spot aber ärgert Berlusconi, weil er so professionell gemacht ist, als stamme er von ihm selbst. Um die Familienpolitik der Regierung geht es da, aber keines der nicht gerade telegenen Kabinettsmitglieder tritt vor die Kamera. Stattdessen strahlt der hoch populäre Schauspieler Lino Banfi in die Linse, lobt mit warmer Stimme die Regierungs-Errungenschaften bei Erziehungszeiten und erhöhten Kinderfreibeträgen. Die Rolle ist perfekt besetzt – Banfi eroberte in den letzten zwei Jahren das Publikum als Familienserien-Opa mit großem Herz für die kleinen Enkelchen.

Kaum bekam Berlusconi Wind von dem gefährlich guten Spot, setzte er alle Hebel in Bewegung. Nicht Information über die Regierungsarbeit erfolge da, sondern „unverhüllte politische Propaganda“. Letzte Woche wies die Medienaufsichtsbehörde den Antrag auf Verbot des Spots zurück. Daraufhin besann sich Berlusconi eines Instruments, das ihm aus seinem Drittjob als Fußballvereinspräsident geläufig ist: Pressing und hartes Tackling. Statt vor Gericht zu ziehen, schickte er die Einschüchterungsbriefe an die Vorstände der staatlichen RAI und seiner Mediaset, wohl wissend, dass beide zur Ausstrahlung der Regierungsspots verpflichtet sind. Die Klagedrohung ist pikant: Am Ende droht eine Causa des Chefs gegen die von ihm selbst berufenen Manager (unter ihnen die beiden Sprösslinge Silvios, Piersilvio und Marina).

Ernsthaft glaubt niemand, dass es dazu kommen wird. Eine Posse ist die Unterlassungsaufforderung aber keineswegs. Berlusconi lässt nämlich schon jetzt die RAI-Spitze wissen, dass Treue zur Regierung und zum Gesetz in seinen Augen Mittäterschaft an einem „Willkürakt“ darstellt. Die RAI-Chefs dürfen sich ausrechnen, welches Schicksal ihnen bei einem Wahlsieg der Rechten im nächsten Frühjahr droht.

Nicht mit Entlassung rechnen muss dagegen die Mediaset-Spitze. Sie ließ das Filmchen mit TV-Opa Banfi erst mal verschwinden, natürlich nicht aus Gehorsam gegenüber dem eignen Mehrheitseigner, sondern aus Respekt vor dem Oppositionsführer, der sich dafür zu loben pflegt, dass er sich in seine Firma nie und nimmer einmischt.