Ausweitung der Kampfzone

Ab 1. Januar muss die Bundeswehr in allen Bereichen Frauen zulassen. Die Truppe sieht den wenigen Soldatinnen mit gemischten Gefühlen entgegen

von HEIDE OESTREICH

Sogar der liberale Bundeswehrverband hat ein Problem. Zwar unterstützte die Interessenvertretung der Soldaten Tanja Kreil, die sich vor dem Europäischen Gerichtshof in die Bundeswehr klagte. Doch gibt es auch hier Bedenken: „Wenn sie da im Ernstfall mit fünf Mann unter einer Baumwurzel kampieren, das geht doch mit Frauen nicht“, erklärt ein Offizier. Warum nicht? „Schon wegen der hygienischen Bedürfnisse. Da kann man nicht sein Intimspray mitnehmen.“

Wenn das doch einzige Problem wäre, das die Männer in der Armee mit den Frauen hätten. In diesen Tagen veröffentlichte das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (Sowi) eine Untersuchung über die „Sicht männlicher Soldaten“ auf die weitere Öffnung der Bundeswehr für Frauen. Das Institut hatte in verschiedenen Veröffentlichungen gewarnt, „das gemeinhin übliche soldatische Selbstverständnis eines männlich codierten Kämpfers“ werde „in seinen Grundfesten erschüttert“. Was das genau heißen wird, kann auch die Bundeswehr bisher nur erahnen. Tatsache ist aber: Willkommen sind die Frauen nicht. Noch im Frühling dieses Jahres hatten die Oberkommandierenden der Streitkräfte Verteidigungsminister Scharping (SPD) per Eingabe dazu bringen wollen, wenigstens die Kampfverbände frauenfrei zu halten. Genützt hat es nichts. Alle Verbände sind offen.

Falls man es denn als offen bezeichnen kann, dass die Hälfte der befragten Soldaten und Offiziere, nämlich 49,1 Prozent, Frauen eigentlich nicht vollständig in die Bundeswehr integrieren wollen. Ein knappes Drittel meint, dass Frauen „ungeeignet für das Leben im Feld“ seien. 44 Prozent können sich eine Frau mit Waffe ohnehin nicht vorstellen, 40 Prozent wollen sie aus Kampfverbänden fern halten, weil sie eine Einschränkung der Kampfkraft der Truppe befürchten. Finstere Zahlen? „Damit haben wir gerechnet, das ist wirklich nicht dramatisch“, will der Direktor des Sowi, Oberst Klaus Lohmann, beruhigen. Schließlich spiegele die Haltung der Soldaten die allgemeine Einschätzung der Gesellschaft zum Thema Frauen und Militär wieder. Und „gesellschaftliche Veränderungen passieren auch nicht über Nacht“. Die stärksten Vorbehalte kamen aus dem Heer, also aus Einheiten, die einem potenziellen Gegner am ehesten unmittelbar gegenüberstehen. Zugleich wurden aus diesem Bereich proportional am wenigsten Soldaten befragt, so dass die Zahlen, stimmten die Proportionen, die Ablehnung wohl noch deutlicher ausdrücken würden.

Die Motive für die Skepsis sind dabei durchaus unterschiedlich: Den harten Kern der Ablehner schätzen die Autoren der Studie als „Traditionalisten“ ein, deren Identität als Mann sich aus den dem Militär innewohnenden Charakteristika wie Aggression, Härte, Gewalt und der Durchsetzung mittels Waffen definiert. „Man könnte sogar vermuten“, meinen die Autoren der Studie, „dass die Streitkräfte für eine bestimmte Gruppe von Männern quasi als Zufluchtsort, als Hort und Ort, wo man noch ein echter Mann sein kann, eine große Attraktivität besitzt.“ Für ihre Selbstdefinition brauchen sie das Weiche, Passive, Pflegende als Gegensatz. Frauen, die schießen, zerstören diese symbolische Konstruktion und verunsichern solche Männer fundamental, meint etwa die Militärsoziologin Ruth Seifert.

Nervosität beim Nachwuchs

Diese Haltung vermuten die Autoren der Studie vermehrt bei älteren Jahrgängen. Die Ablehnung der Jüngeren beruht dagegen auf handfesten Gründen: Sie haben Angst vor der Konkurrenz. Junge Zeitsoldaten sind im Moment nämlich in einer eher komfortablen Lage. Die Bundeswehr hat Nachwuchsprobleme. Ihrer Übernahme und dem beruflichen Aufstieg steht wenig entgegen. Derzeit fehlen der Bundeswehr rund 7.000 Unteroffiziere und 2.000 junge Offiziere. Doch die geplante Verkleinerung der Truppe macht die Nachwuchskräfte nervös: Wenn nun auch noch Frauen mitkonkurrieren, ist der Aufstieg keineswegs mehr gesichert. Aus dem Sanitätsdienst, wo jetzt schon beide Geschlechter um gute Jobs ringen, ist bekannt, dass Frauen überproportional schnell aufsteigen: Sie sind in der Regel motivierter und schlauer als ihre Mitbewerber. 23 Prozent der Befragten gaben denn auch an, Frauen nähmen den Männern den Arbeitsplatz weg. Entsprechend pochen die Soldaten darauf, dass für Frauen keine Sonderbedingungen gelten dürften: 86,4 Prozent forderten gleichen Stress für alle. Gut zwei Drittel der Soldaten sprachen sich sogar dafür aus, dass es nun auch eine Wehrpflicht für Frauen geben müsse. Das Privileg, dass Frauen keinen Wachdienst schieben müssen und ihnen lange Haare und dezenter Schmuck erlaubt sind, soll fallen. Dieses Anliegen machen sich die Autoren der Studie in Form einer Empfehlung zu Eigen.

Der latenten Ablehnung von Frauen in Uniform stehen aber auch Hoffnungen gegenüber: Immerhin 61 Prozent geben an, dass die Integration von Frauen „gut für die Kampfkraft der Truppe“ seien – was immer sie damit meinen. Drei Viertel der Soldaten erhoffen sich einen „anderen Umgangston“ innerhalb der Armee. Schon lange beklagen sich die Soldaten über Schikanen – besonders die jungen Unteroffiziere triezen ihre Untergebenen. Die Berichte der Wehrbeauftragten sind seit Jahren voll von Klagen über Vorgesetzte, die sinnlose Befehle erteilen und ihre Autoritätsprobleme wettzumachen suchen, indem sie Rekruten zusammenstauchen. Was das Zentrum für Innere Führung sich als Gegenmaßnahme ausgedacht hat, mutet rührend an: In einem „Arbeitspapier“ zu „Sprache und Sprachentgleisungen“ werden liebevoll Kommunikationssituationen zwischen Soldat x und Soldat y aufgezählt. Ist die Botschaft „verletzend, beleidigend oder entwürdigend“, wird vom Vorgesetzten „pädagogische Intervention“ gefordert. „Gleichzeitig muss er durch Bildung und Wertevermittlung einen Lernprozess bei Soldat x auslösen, um eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung herbeizuführen.“

Was aber, wenn die wenigen Frauen, die ab 1. Januar in der Bundeswehr zu erwarten sind, die wundersame Wandlung des Kommunikationsgebarens nicht herbeiführen? Was, wenn es eher so kommt, wie die allermeisten Soldaten befürchten, nämlich dass es „mehr Probleme im Dienst“ (65,3 Prozent) und vor allem „mehr Probleme mit Sex“ (83,6 Prozent) gibt. Mit „Sex“, so vermuten die Autoren der Studie, könnte vor allem der Vorwurf der sexuellen Belästigung gemeint sein. Über diese nämlich beklagen sich laut Bericht der Wehrbeauftragten von 1999 die weiblichen Soldaten am häufigsten. Auch da weiß das Zentrum für Innere Führung in seinem Arbeitspapier Rat: „Der oftmals schwierige Bereich des beiderseitigen Umgangs von Soldaten unterschiedlichen Geschlechts lässt sich ebenso ansprechen“, heißt es in dem Arbeitspapier.

In den Fortbildungen, die man derzeit den künftigen Vorgesetzten weiblicher Soldaten angedeihen lässt, wird zwar „Null Toleranz“ gegen sexuelle Belästigung in Form von Übergriffen gepredigt, auf Sprücheklopfen oder Mobbing geht man aber eher nicht ein. Lieber spricht man über Kommunikationsprobleme im Allgemeinen, bereitet die Offiziere auf vermehrte „Warum“-Fragen vor, die Frauen angeblich stellen, und erklärt, dass Frauen weniger Schulterkraft besitzen, aber dafür schneller reagieren.

Wie aber geht man damit um, dass Frauen im „Kommunikationsverhalten“ der Unteroffiziere bislang des Öfteren lediglich in Form von „Nato-Matratzen“ vorkamen, wie Ex-Soldaten erzählen – „rubbeln und wegschmeißen“ ? So berichtet ein Ex-Obergefreiter aus Hammelburg, dass es bei den Unteroffizieren drei vorherrschende Themen gegeben habe: „Saufen, vom Zweiten Weltkrieg schwärmen und Sexismen“. Mit Pädagogik aus dem Zentrum für Innere Führung käme man da nicht weit: „Das sind schöne Papierchen für die gebildeteren Vorgesetzten. Die versuchen ja auch, die Unteroffiziere zu maßregeln, aber was abends in den Stuben oder in der Disco passiert, darauf haben die doch keinen Einfluss.“ Er vermute, dass es durchaus Soldaten gebe, die die Öffnung der Bundeswehr vor allem aus einem Grund befürworten: „Die glauben, sie kriegen jetzt was zu vögeln.“

Einfluss erst ab 33 Prozent

Eine Hand voll Frauen wird wohl die Geschlechterbilder bei der Bundeswehr nicht ändern, fürchten auch die Soziologen. Erst ab einem Anteil von einem Drittel, so sagt die Frauenforschung, können Minderheiten eine Organisation tatsächlich beeinflussen. Auch das Sowi gibt zu bedenken: „Innerhalb der Bundeswehr ist mit Deckungsungleichheiten zwischen offiziell verkündeter Politik und ihrer praktischen Umsetzung zu rechnen.“ Und möchte die künftigen Soldatinnen ausgiebigst mit „Begleitforschung“ bedenken. Vielleicht wäre auch Begleitschutz angebracht. Willkommen bei der Bundeswehr!