Zersiedlung prämiert

Bundesregierung einigt sich mit SPD-Ländern auf Entfernungspauschale. Umweltverband BUND fordert, Bevorzugung von Pendlern abzuschaffen

BERLIN taz ■ Gestern einigte sich die rotgrüne Bundesregierung mit den SPD-geführten Bundesländern auf eine gemeinsame Position zur Entfernungpauschale. Nach langem Gefeilsche kann Rotgrün damit heute in den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag ziehen, um sich hier mit der Union darüber zu streiten, wie Pendlern ihre Fahrt zum Arbeitsplatz subventioniert werden kann.

Nach Rotgrünem Wunsche würden künftig 80 Pfennig pro Kilometer Entfernung vom Arbeitsplatz pro Arbeitstag erstattet - unabhängig vom Verkehrsmittel (das verlangten die Grünen). Bis zu einer Entfernung von 10 Kilometern aber bloß 70 Pfennig (das wollte die SPD).

Die Steuererstattung für Bahnfahrer würde auf die Kosten einer 1.Klasse Netzkarte der Bundesbahn beschränkt - sie kostet knapp 10.500 Mark und ist gültig für beliebig viele Fahrten im Gesamtnetz für ein Jahr (das wollte Eichel, um „Mitnahmeeffekte“ zu vermeiden). Die Lösung würde ungefähr 1,1 Milliarden Mark kosten (das war die Forderung der Länder).

Die Union allerdings hatte gestern noch keine einheitliche Strategie zurechtgezimmert. Doch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wusste bereits vor der Bekanntgabe, dass es sich bei der Pauschale um ein „bürokratisches Monster“ handeln würde, das „allenfalls als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Steuerberater diene“. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) hatte erklärte, der Pauschale zustimmen zu wollen, wenn er nicht die Kosten tragen müsse. Stattdessen bot er an, dass die Länder auf die Kfz-Steuer verzichten - von der allein sie profitieren. So könne dem Transportgewerbe geholfen werden. Damit bewies Müller gutes Erinnerungsvermögen: Schließlich stand am Anfang der Debatte um die Pauschale Proteste der Spediteure.

Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hält die Entfernungspauschale zwar für einen „Notbehelf“, will aber eine Lösung mittragen, die „die überbelasteten Leute“ entlaste. An den Kosten will er sich allerdings nicht beteiligen. Ansonsten solle die Ökosteuer abgeschafft werden. Wie das zu finanzieren wäre, darüber schwieg er sich ebenfalls aus.

Der Umweltverband B.U.N.D. kritisierte die höhere Pauschale für Fernpendler, weil sie Flächenverbrauch und Verkehr fördere. Mittelfristig solle die Pauschale - im Rahmen eine Finanzreform - ganz abgeschafft werden. In anderen Ländern wie den USA oder Großbritannien werden die Fahrtkosten zur Arbeit bei der Steuer nicht angerechnet. MATTHIAS URBACH