There`s Nazis In The Bathroom

Vor der Stichwahl um die rumänische Präsidentschaft machen die Medien Front gegen den Extremismus. Gemeint ist der Nationalist Corneliu Vadim Tudor. Der hat, trotz Ankündigung von Schauprozessen in Stadien, durchaus Chancen, zu gewinnen

aus Bukarest KENO VERSECK

Die rumänischen Fernsehstationen fallen in diesen Tagen durch ungewöhnliche Nachrichtenauswahl auf und ändern zuweilen abrupt ihr Filmprogramm. Im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität vermelden die Sender überraschende Entschlossenheit der Staatsorgane. Ohne Ankündigung wird eine Komödie gestrichen und stattdessen George Orwells „1984“ gezeigt. Das Gedenken an ein antijüdisches Pogrom vor 50 Jahren findet im vermischten Teil am Ende der Abendnachrichten Platz. Auch Reportagen von unbedeutenden Gottesdiensten werden gesendet – Hauptsache, der Priester predigt gegen Extremismus.

Gegen den Extremismus – mit dieser Botschaft ist der Nationalist Corneliu Vadim Tudor gemeint, den die Medien boykottieren, als hätte es ihn nie gegeben. Tudor kam in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vom 26. November auf fast 30 Prozent. Seine „Großrumänien-Partei“ (PRM) erhielt bei den Parlamentswahlen 20 Prozent. Am Sonntag konkurriert Tudor mit dem ehemaligen Präsidenten Ion Iliescu in der Stichwahl.

Zum „Votum gegen den Extremismus“ rufen Parteien und Politiker, Intellektuelle, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Kirchen auf – in nie dagewesener Einheit. Doch die Botschaft klingt inhalts- und sprachlos, als hätte ein furchtbares, aber fremdes Übel Rumänien heimgesucht. Jahrelang ist Tudor nicht ernst genommen worden und kein salonfähiger Politiker gewesen. Sein faschistoider Nationalismus, seine niederträchtige Hetze gegen alles Nichtrumänische, vorgetragen im Stil obszöner Witze, sorgten bei Parlamentsdebatten und Journalisten regelmäßig für Gelächter.

Wie zweifelhaft die Aufrufe gegen den Extremismus sind, zeigt die Kampagne des ehemaligen Präsidenten und Exkommunisten Iliescu und seiner Partei der Sozialen Demokratie (PDSR), die bei den Parlamentswahlen mit 37 Prozent stärkste Partei wurde. Iliescu hat in den letzten Tagen deutlich gegen Xenophobie, Antisemitismus und Rassismus Stellung bezogen und sich für ein demokratisches Rumänien und eine EU- und Nato-Mitgliedschaft ausgesprochen.

Zugleich aber kopiert er für seine Auftritte Inhalte und Ton der Großrumänien-Partei. „Wir brauchen uns nicht zu schämen“, verkündet Iliescu, „wir müssen und werden würdig und aufrecht nach Europa gehen.“ Er habe zwei Prioritäten: die Beseitigung der Armut und die Herrschaft von Recht und Gerechtigkeit, sagt Illiescu und übernimmt damit fast wörtlich Aussagen Tudors. Reklamespots zeigen Iliescu als großen Führer, der den Rumänen ihr Selbstbewusstsein zurückgibt: am Rednerpult der UNO, vor marschierenden Soldaten, mit Generälen bei Manövern und historischen Gedenkfeiern.

Diese Botschaft spiegelt die Panik der politischen Elite Rumäniens wider und unterscheidet sich kaum von dem Satz, der auf dem Titel von Tudors Hetzblatt „Großrumänien“ steht: „Wir werden wieder das sein, was wir waren, und sogar noch mehr!“ Tudor hat aufgehört, den lupenreinen Demokraten zu spielen. Als Präsident werde er das Parlament auflösen, wenn die Regierung nicht nach seinem Willen funktioniere. Er werde „verdächtige Vermögen“ in 48 Stunden konfiszieren, Verbrecher einkerkern und Schauprozesse in Stadien abhalten. Mit solchen Parolen hat Tudor Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. Meinungsforscher wagen keine Prognosen – Iliescu könnte komfortabel gewinnen oder knapp verlieren. Eins ist sicher: Tudors Botschaft klingt vielen Rumänen aufrichtiger als die Anti-Extremismus-Aufrufe einer korrupten und verantwortungslosen Politelite.