I Am The Eggman, You are Eggman

John Lennon als pubertärer Osttraum ■ Ich war John, Kathi war George. Wir hatten gestritten. Schließlich konnte es nur einen geben. Wir waren 15, und die Jungs in Ostberlin, die Paul und Ringo hätten sein sollen, beachteten uns noch nicht. Beinahe wäre Kathi John geworden. Sie hatte einen dickeren Hefter mit Songtexten, in ihrem Zimmer hing ein Bravo-Poster der Beatles. Davon konnte ich nur träumen. In meiner Familie galt Frank Schöbel als fetzig, Gilbert Becauds „Natalie“ als subversiv. Keine Westmark nirgends – nur ab und zu eine Prise Intershop-Duft, wenn Kathi sich ihre neue rote Kord-Levi`s „holte“.

Aber ich war John, immerhin. Es war Sommer 1980 und meine Devotionaliensammlung spärlich. In einer Schachtel verloren sich verrutschte Vierfarbdrucke aus der FF Dabei. Ein Foto von John hing neben meinem Kopfende. Mehr erlaubten meine Eltern nicht – die Tapete.

Eigenartigerweise kümmerten Kathi und ich uns kaum um die Musik. Klar, wir ahnten die Bedeutung von „Revolution 9“. Zu „Give Peace A Chance“ tummelten wir uns in der Schuldisco. Doch das Jungsding – Textexegese, gemeinsam im Kinderzimmer mit ernstem Gesicht der Musik lauschen – war uns fremd. Eher regten wir uns über Yokos hässlichen Arsch auf dem Cover von „Two Virgins“ auf und hörten immer wieder ein Radiointerview mit John Lennon – dreimal weiterkopiert und 200-mal von einer Orwo-Kassette abgespielt. Da lachte und gurgelte „John“ aus einem Blecheimer – Folie genug für die kruden Vorstellungswelten einer 15-Jährigen. Es war ein guter Sommer.

Am 8. Dezember rief Kathi mich morgens noch vor der Schule an. Ich heulte in den Hörer. Was für ein Gefühl: Ich war tot. Von der Schule, die ich schwarz gekleidet aufsuchte, schickten sie mich nach Hause, abends gab es Eierkuchen. Kurz darauf hörte ich im Rias „Blaue Augen“ von Ideal. Von da an war ich Inga, Kathi war Annette Humpe. Und Thomas aus der 9 b wurde Eff Jott Krüger. ANJA MAIER

ANJA MAIER, taz-Redakteurin, hat bis heute nur fakultatives Interesse an Musik. Topsong: We can work it out.