Die unmögliche Mission

Nach vierzig Jahren Katz-und-Maus-Spiel wurde der zäheste aller Gegner Castros geschnappt. Jetzt sitzt er in Panama in Auslieferungshaft und kann über sein Scheitern nachdenken

von TONI KEPPELER

Seine Vorgeschichte ist dunkel, seine Zukunft schwarz. Man weiß nicht, wo er herkommt und wann genau er geboren wurde. Das erste Mal wird sein Name im Zusammenhang mit der Schweinebucht-Invasion vom 17. April 1961 erwähnt. Damals war Luis Posada Carriles um die dreißig und wollte zusammen mit anderen Exil-Kubanern der erst kurzlebigen Regierung Castro ein gewaltsames Ende bereiten. Die Militäraktion ist jämmerlich gescheitert. Die Insel-Kubaner waren wachsam und gut vorbereitet.

Mit dieser Niederlage kann Posada Carriles nicht leben. Seit dem Schweinebuchtfiasko verfolgt er manisch nur noch ein Ziel: den gewaltsamen Tod Castros. Er kam diesem Ziel mehrfach ziemlich nahe. Doch auch Castro war stets wachsam und gut vorbereitet, und bald war nicht mehr auszumachen, wer nun eigentlich der Jäger ist und wer der Gejagte. Im bald vierzigjährigen Katz-und-Maus-Spiel der mittlerweile über siebzigjährigen Männer ist stets der eine dem anderen entwischt. Oder der andere dem einen. Bis zum 17. November dieses Jahres. An diesem Tag ließ Castro seine Falle zuschnappen.

Zusammen mit zwanzig anderen Staatschefs war Castro beim Iberoamerikanischen Präsidentengipfel in Panama-Stadt. Für Posada Carriles war solch ein Anlass schon immer eine Gelegenheit. Während einer Rede vor Studenten der staatlichen Universität sollte der alte Feind in die Luft gesprengt werden. Doch der kubanische Geheimdienst wusste, wann Posada Carriles ins Land gekommen war und wo er sich aufhielt. Die Polizei von Panama musste nur noch zugreifen. Jetzt sitzt Posada Carriles in Auslieferungshaft. Bis Mitte Januar will Panama entscheiden, ob der zäheste aller militanten Castro-Gegner nach Kuba geschickt wird. Dort droht ihm ein großer und mit Sicherheit öffentlich inszenierter Prozess. Und danach ein Erschießungskommando.

Glaubt man der Propaganda Fidel Castros, ist Posada Carriles ein mächtiger Mann. Ein Terrorist, mindestens vom Kaliber eines „Carlos“, bloß eben von ganz rechts außen. Einer, der im Auftrag der exilkubanischen Mafia von Miami die Drecksarbeit erledigt. Ein Mann im Dienste der Cuban-American National Foundation (CANF) und damit letztlich im Dienste des US-Geheimdienstes CIA. Einer, der beste Kontakte hat zu allen rechtslastigen Regierungen Zentralamerikas und der bei den finsteren Reichen dieser Länder ein und aus geht. Kurzum, der personifizierte antikubanische Imperialismus.

Ein bisschen Wahrheit ist da schon dran. Aber eben nur ein bisschen. Posada Carriles hat für die CIA gearbeitet. Er hat mehrfach vom Führungszirkel der CANF Geld bekommen. Er hat zwei Präsidenten Zentralamerikas beraten. Und in El Salvador, wo er sich in den vergangenen Jahren vorwiegend aufhielt, ging er gerne mit Guillermo Sol Bang, einem der rechtsextremsten unter den Superreichen des Landes, auf die Jagd. Und trotzdem ist Posada Carriles im Grunde ein einsamer Mann. Einer, den jeder Castro-Gegner gerne einmal benutzt, mit dem aber keiner zu viel zu tun haben will. Ein Verrückter, der sich in den Kopf gesetzt hat, Fidel umzulegen. Verrückte sind unberechenbar. Und nicht sehr effizient.

Letztlich gelangen Posada Carriles nur zwei seiner Anschläge, und die brachten nicht viel ein: 1976 – er arbeitete damals für den Geheimdienst in Venezuela – steckte er hinter einem Attentat auf ein Linienflugzeug der Cubana Airlines. Die Maschine explodierte kurz nach dem Start auf der Karibikinsel Barbados. 73 Menschen starben, darunter die gesamte Jugendnationalmannschaft der kubanischen Fechter. Und 1997, als er zwei Kleinkriminelle aus El Salvador dazu überredete, Bomben in Hotels in Havanna zu legen. Bei einer dieser Explosionen wurde der italienische Geschäftsmann Fabio di Celmo getötet. „Er saß zur falschen Zeit am falschen Ort.“ (Posada Carriles)

Posada Carriles kann selbst nicht genau erklären, warum er das tat. Ein Freund aus alten Schweinebuchttagen zitiert ihn so: „Was soll ich auch anderes tun als das, was ich schon so lange mache? Das Flugzeug hat schon längst abgehoben und den Punkt überschritten, von dem aus es kein Zurück mehr gibt.“ Einer der Bombenleger von Havanna wusste nicht einmal, für wen er gearbeitet hat. Nach seiner sechsten Bombe wurde er gefasst und sagte im Prozess, er habe geglaubt, von irgendeiner Drogenmafia angeheuert worden zu sein. Schutzgelderpressung oder so. Der andere kam erst gar nicht dazu, seine Bombe zu legen. Er wurde auf dem Flughafen von Havanna vom Geheimdienst abgefangen. Sein Auftrag: Er sollte im Juli 1998 in Santa Clara das Mausoleum sprengen, in dem kurz zuvor die aus Bolivien zurückgeholten Gebeine des Revolutionshelden Che Guevara beigesetzt worden waren. Die beiden Salvadorianer wurden zum Tod verurteilt. Die Strafen sind noch nicht vollstreckt.

Auch Posada Carriles stand schon vor Gericht. In Venezuela, wegen des Cubana-Attentats. Er kam ins Gefängnis, fast neun Jahre lang. Dann gelang ihm, als Priester verkleidet, die Flucht. Es gibt Gerüchte, nach denen die Wächter mit fünfzigtausend Dollar von der CANF bestochen wurden. Andere behaupten, die CIA habe gezahlt. Für Posada Carriles begann ein unstetes Leben, in dem er gezwungen war, sein eigentliches Ziel immer wieder hintanzustellen, um Geld fürs Überleben zu verdienen. Er verdingte sich als Sicherheitsberater des damaligen Präsidenten von El Salvador, Duarte. Kurz darauf organisierte er im Auftrag von Oliver North auf dem salvadorianischen Militärflughafen Ilopango den Nachschub von Waffen und Lebensmittel für die antisandinistische Contra in Nicaragua. Kaum war der Iran-Contra-Skandal aufgeflogen, reiste Posada Carriles nach Guatemala weiter und diente dem dortigen Präsidenten Cerezo als Sicherheitsberater.

In Guatemala wurde er vom kubanischen Geheimdienst ausgemacht. Die Agenten wollten ihn erschießen. Doch sie setzten eine Kugel neben sein Herz und zerschmetterten mit einer anderen seinen Unterkiefer. Monatelang lag Posada Carriles im Krankenhaus. Am Ende konnte er die Arztrechnung von 22.000 Dollar nicht bezahlen. Dem Vernehmen nach griff ihm die CANF unter die Arme. Seither geht es nur noch bergab. Posada Carriles musste jeden Job annehmen, der sich ihm bot. Mal bildete er Leibwächter aus, mal war er selber einer. Einmal soll er fünftausend Kisten mit gefälschten Cohiba-Zigarren verkauft haben. Wenn es ihm ganz dreckig ging, malte er kitschige Ölschinken von kubanischen Fantasielandschaften und verscherbelte sie für zwei- oder dreihundert Dollar an heimwehkranke Exilkubaner.

Und immer, wenn er einmal wieder ein Attentat auf Castro plante, musste Posada Carriles Betteln gehen. Das wurde immer schwieriger. 1993 wollte er vor Honduras ein kubanisches Frachtschiff sprengen und gemeinsam mit korrupten Militärs ein Ausbildungszentrum für Anti-Castro-Guerilleros gründen. Der damalige Geheimdienstchef der honduranischen Armee, Guillermo Pinell Calix, war zunächst begeistert.

Doch dann begann er, an Posada Carriles zu zweifeln. Posada Carriles hatte ihm versprochen, den liberalen honduranischen Präsidenten Carlos Roberto Reina zu beseitigen, weil dieser die Macht der Militärs einschränken wollte und gleichzeitig diplomatische Beziehungen zu Kuba vorbereitete. Tatsächlich explodierten ein paar Bomben. Doch Reina war nie in ihrer Nähe. Pinell Calix hielt den Exilkubaner für einen Versager und distanzierte sich von seinen Plänen.

1994, beim Iberoamerika-Gipfel in Cartagena in Kolumbien, reiste Posada Carriles mit einem sechsköpfigen Kommando an, um Castro während einer Kutschfahrt durch die historische Altstadt zu erschießen. Die Waffen waren im Land, die Männer postiert. Aber da war auch ein Kordon von Sicherheitskräften. Castro fuhr in großer Entfernung an seinen Verfolgern vorbei. Immer, wenn einer schießen wollte, stand irgend jemand dumm im Weg. Der nächste Versuch sollte beim Karibik-Gipfel 1998 in Santo Domingo unternommen werden. Doch die Mordpläne flogen schon lange vorher auf, weil ein Mitverschwörer den Mund nicht halten konnte.

Mit dieser Geschichte des Scheiterns im Rücken wurde es immer schwerer, Geld aufzutreiben. Dazu kommt: Posada Carriles wurde nicht jünger, sondern wie sein Gegner Fidel immer tatteriger und fahriger. Die Finanzierung der Bombenserie in Havanna musste er in kleinen Raten zusammenstottern. Zuletzt hielten nur noch seine salvadorianischen Freunde zu ihm. Ein Pfarrer stellte ihm eine Taufurkunde auf den Namen Franco Rodríguez Mena aus. Ein Bürgermeister legte den entsprechenden Personalausweis dazu und das Innenministerium den Reisepass. Selbst ins Wahlregister ist Rodríguez Mena eingetragen. Mit diesem Pass flog Posada Carriles Anfang November von El Salvador nach Costa Rica und reiste über die Grenze nach Panama ein.

Dort sitzt er nun und wartet auf seine Auslieferung. Die CANF bezahlt seinen Anwalt, aber was soll das jetzt noch? Posada Carriles hat von einem anderen Ende der Geschichte geträumt. Wenn er ehrlich ist, sieht er ein, dass er längst gescheitert ist. Einem guten Agenten bleibt jetzt eigentlich nur noch die Kugel. Bevor sie von einem Erschießungskommando Fidel Castros kommt.

TONI KEPPELER, 44, lebt seit 1994 als Zentralamerikakorrespondent in El Salvador. Fast genau so lange verfolgt er die Spuren von Luis Posada Carriles