Kein Wort des Bedauerns

Am zweiten Prozesstag gegen die Besitzer der Kampfhunde, die Volkan töteten, sagt der Hauptangeklagte aus – ungerührt  ■ Von Elke Spanner

Die Eltern sind nicht mehr gekommen. Am ersten Prozesstag vorige Woche hatten sie noch zugehört, saßen denen gegenüber, deren Hunde ihr Kind getötet hatten. Ibrahim K. hatte diese Gelegenheit verstreichen lassen, den Eltern des sechsjährigen Volkan sein Mitgefühl auszudrücken. Eine weitere bietet sich ihm vorerst nicht. Ein Bedauern darüber bringt der Angeklagte nicht zum Ausdruck.

Im Gegenteil: Der Besitzer des Kampfhundes Zeus, der zusammen mit dem Pitbull Gypsi im Juni Volkan tötete, schilderte gestern vor dem Landgericht kaum berührt, was sich an jenem Tag auf dem Schulhof der Wilhelmsburger Grundschule abspielte. Er ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge, seine Freundin Silja W. wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

Ibrahim K. erzählte, wie Gipsy beim „Gassigehen“ im Hof plötzlich über die Mauer auf den angrenzenden Schulhof gesprungen sei und Zeus hinterher, wie er selbst auf das Schulgelände rannte und versuchte, die Tiere von Volkan wegzuziehen, der schon blutend auf dem Boden lag. Er sei „scho-ckiert“ gewesen, sagte er, als Gipsy über die Mauer setzte. Nie zuvor hätte sie das getan.

Dann aber kam ein guter Freund als Zeuge, und mit ihm eine andere Version. Danach reagierte Gipsy am 26. Juni auf ein gutbekanntes Signal, als sie sich von einem Ball auf den Schulhof locken ließ. Denn der Pitbull sei schon zuvor oft über die Mauer gesprungen – manchmal von allein, oft auf Kommando. Ob auch Ibrahim K. und Silja W. Bälle und Stöcke über die Mauer geworfen hatten, wollte der Freund auf Nachfrage dann nicht mehr genau wissen.

Dass die Hunde durch einen Sprung über die Mauer aus dem Hof ausbüchsen konnten, überraschte auch die beiden Angeklagten nicht. Silja W. hatte ihrer Hündin beigebracht, einen Baumstamm hochzulaufen. Ibrahim K. hatte Zeus mit Stöcken trainiert, „er konnte so hoch springen, dass sein Körper auf Höhe meines Gesichtes war“, sagte der rund 1,75 Meter große Angeklagte. Sein Stafford-shire-Terrier habe eigentlich gut auf ihn gehört, „es sei denn, er biss sich gerade mit anderen Hunden“.

Dass die Hunde gefährlich geworden waren, hatten die beiden registiert. Vor zwei Jahren bereits war Zeus zum Amtstierarzt vorgeladen worden. Der hatte festgestellt, dass der Hund für andere Tiere, nicht aber für Menschen gefährlich war. Anschließend aber „war so viel passiert, dass sich etwas ändern musste“, räumte Ibrahim K. ein.

Deshalb machten er und seine Freundin keine ausgedehnten Spaziergänge mehr, sondern führten die Tiere nur noch kurz in den Hof. Deshalb hatte die Behörde auch zur Auflage erhoben, dass Zeus stets einen Maulkorb zu tragen habe. Doch Ibrahim K. hatte keinen gekauft. „Wir hatten kein Geld dafür.“ Zwar gibt es Maulkörbe schon für zwanzig Mark. Doch die, so Ibrahim K., wären zu klein gewesen. Er hatte sich einen ausgeguckt, der aber mit 160 Mark zu teuer war. Der hätte gepasst, und der „sah auch gut aus“.