Mein Name ist

„Meine Musik ist wie ein Splatterfilm, geschmacklos, aber lustig“: Ein Porträt des umstrittenen Kreuzberger Rappers Kool Savas

von AXEL WERNER
und CORNELIUS TITTEL

Wie ist es möglich, dass durchaus vernunftbegabte, im Sinne der Aufklärung erzogene Kulturwissenschaftsstudenten ganze Abende damit verbringen, zum offensichtlichen Vergnügen aller Anwesenden hysterisch „Nutte“ zu kreischen? Wer oder was ist schuld ? Das Freudsche „Unbehagen in der Kultur“, schlechte Drogen oder doch nur deutscher Hip Hop? Oft jedenfalls liegt dann neben dem Judith-Butler-Reader eine Platte des Berliner MC‘s Kool Savas, dessen elaborierter Flow die Lücke zwischen dope und unbegreiflich schließt und dessen -zugegeben zweifelhafter - Ruhm vor allem seinen explizit sexistischen Porno-Lyrics geschuldet ist.

Ist Hip Hop ohnehin nicht gerade für seine Aufgeklärtheit in sex & gender-Angelegenheiten bekannt, muten Savas-Tracks wie „LMS/Lutsch meinen Schwanz“ oder „Schwule Rapper“ erst einmal an wie der reimtechnisch perfekte Next Step in der Evolution geschmackloser Herrenwitze.

Dass für manchen der Spaß genau dort aufhört, wo er für Savas beginnt, liegt auf der Hand. So musste sich kürzlich ein Mitarbeiter des Kölner HipHop-Vertriebes Groove Attack von einem aufgebrachten Oberstudienrat beschimpfen lassen. Dieser nämlich hatte auf einer Oberstufenparty eine Savas-Platte beschlagnahmt und will sich nun rechtliche Schritte gegen die Distributoren solchen Unrats vorbehalten. Es verwundert schon, dass der zurzeit kontroverseste Rapper Deutschlands privat so gar nicht mit der Stage-Persona des selbsternannten “Pimplegionärs“ (“Wenn ich komm, müssen Schlampen rudern“) verwechselt werden möchte.

Ausgesprochen höflich bittet der 25-jährige die Besucher herein, den mitgebrachten Sixpack tastet er als überzeugter Allround-Abstinenzler gar nicht erst an, und auch sein Altbauzimmer macht nicht den Eindruck, als residiere hier der genitalfixierteste Entertainer seit Klaus Kinski.

Statt der zu erwartenden Zwei-Meter-US-Hustler-Sammlung oder des gesamten Sarah-Young- Backkatologs steht im Bücherregal die Reich-Ranicki-Biographie, und nebenan bastelt Melanie aka Melbeatz, seit 6 Jahren seine Freundin, Beats für Savas‘ nächsten Track.

“Mein Ding ist Battle Rap“ erzählt er, die Aufregung um seine Texte mit einem Kopfschütteln quittierend, „ wenn man sich HipHop anguckt, dann ist es schon von Anfang an so gewesen, dass die Leute auf Partys ans Mikrofon gegangen sind und es im Endeffekt nur um Kampfansagen an den „Gegner“, ums Runterputzen des Anderen ging, vor allem aber ums Angeben und Rumprotzen. Das ganze stand in der alten Tradition des „playing the dozen“ und hatte immer auch einen Comedy-Aspekt.“

Mit anderen Worten: Rap ist eben nicht nur das CNN der Schwarzen, sondern gleichzeitig auch RTL II. Dass der Deutschtürke spätestens seit seinem auch auf MTV rotierenden Beitrag „King of Rap“ zum Plattenpapzt-Album als der reimtechnisch heißeste und inhaltlich kränkeste Battle-Konkurent des Hamburgers Samy Deluxe gilt, ist ihm bewusst. Dennoch nervt ihn die Kool-Savas-Rezeption der deutschen HipHop-Szene: „Es ist einfach lächerlich wenn es über mich entweder heißt: Kool Savas ist der King, Berlin rules, oder aber: Ich wäre ein Vollidiot der nur übers Ficken rappen kann. Oder: Die frühen, ganz krassen Sachen mit Westberlin-Maskulin mochte ich, jetzt ist er mir zu kommerziell geworden und kein Underground mehr.“

Underground zu bleiben bedeutet für Savas weder, annähernd keine Platten zu verkaufen, noch auf ewig mit low-fi-Equipment Vier-Spur-Romantik zu produzieren. So freut er sich schon sichtlich, dass nach dem anstehenden Indie-Release seiner Masters-of-Rap-Posse, sein Soloalbum mit der geballten Finanzkraft von Def Jam Germany lanciert werden wird - „so richtig normal groß, da stehe ich auch drauf, das will ich auch so“ - ohne, dass er in Sachen Political Correctness Kompromisse eingehen müsste. Beim ersten Top-Ten-Hit, der ihm nicht nur aufgrund anstehender Zensurdiskussionen sicher scheint, werde er sofort eine Party schmeißen und versuchen, möglichst viele seiner Homies mit sich zu ziehen.

Während die Realness-Polizei Savas also weder Verrat noch Ausverkauf vorwerfen wird, bleibt einem inhaltlich angesichts von Zeilen wie „Nutte blas zu Ende, meine Zeit ist knapp bemessen / Deine Mutter wartet draussen und will Penis in die Fresse“ schon das Wort „zwiespältig“ tief im Rachen stecken. Bevor sich der geneigte (männliche) Hörer aber vor Vorwürfen, offene Frauen- und Schwulenfeindlichkeit zu billigen, zurückzieht -“schwul“ ist Kool Savas‘ Lieblingssynonym für alles, was scheiße ist - darf man die Lyrics als primär hermeneutisches Problem betrachten. Ein Problem das schon mit der Trennung von Erzähler und Autor bzw. der Kunstfigur „Pimplegionär Kool Savas“ und der abstinenten, monogamen Privatperson beginnt.

“Meine Musik ist wie ein Splattermovie, völlig geschmacklos, aber lustig. Viele Übertreibungen sind einfach so maßlos, das es klar sein muss, dass ich nicht der Typ bin der sich in den Texten wortwörtlich gibt. Und wenn ich irgendwas schwul nenne, hat das nichts mehr mit Homosexualität zu tun, das ist längst Umgangssprache.“

Ob sein Appell an den „gesunden Menschenverstand“ aufgeht und seine Zuhörer durch die Bank das vom ihm erwartete Reflexionsvermögen besitzen, bleibt jedoch mehr als fraglich. So erwartete ihn kürzlich nach einem Auftritt eine zwanzigköpfige Horde HipHop-Hooligans: „Die wollten uns tatsächlich auseinandernehmen, so nach dem Motto: du hast doch gesagt, du zerlegst jede Crew zum Mosaik, jetzt zeig mal, wie unfassbar hart du wirklich bist. Ich musste denen erklären, dass wir Rapper sind und keine Gangster. Das hat mich schon sehr abgetörnt, ich will ja wirklich kein Publikum, das nur aus wütenden Prolls besteht.“

Ein ungutes Gefühl jedenfalls bleibt, es könnte da draußen noch mehr zugerauchte HipHop-Kids mit dem IQ einer BaggyJeans geben, die seine Texte für voll nehmen. Zuviel grübeln möchte Savas dennoch nicht, da sei seine Freundin vor, die ihn für alles andere als frauenfeindlich hält. „ Ich kenn ihn ja und sehe das anders“ sagt sie zum Abschied, „das ganze ist nur Rap. Wäre es ernstgemeint, wäre es Politik. Und Politik machen wir nicht.“

Kool Savas tritt am Montag, 11.12, beim HipHop-Jam in der Kulturbrauerei auf, 20 Uhr, Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg