Arbeit geht, die Kunst bleibt

„Hedges“ für Mittis: Pussy Galore ist eine neue Initiativgalerie, die am Sonntag auf einer Auktion Kunst aus der Zeit vor dem Boom zu treuen Händen versteigern will. Werke von 16 in Berliner Künstlern sind im Gebot

Der Nemax fällt, mit EM TV verglüht ein Star des Neuen Markts, und schneller, als man www.pleite.de tippen kann, geht die Konkurs-Angst um. Der New Economy geht die Puste aus, aber Broker wissen wie man sich vor Verlusten schützt: durch „hedges“. Das ist englisch und bedeutet in etwa: eine Hecke bauen, hinter der man vor Verlusten sicher ist.

Gut verkaufen statt Verluste machen will 10 Jahre nach dem Mauerfall auch die Berliner Off-Kunst-Szene, vertreten durch die Galerien Walden Kunstausstellungen und contact:c4. Gemeinsam packen sie den Volkssport Börsenfieber an und wählen dabei „Hedges“ als Motto für eine Kunstauktion. Ausgewählte Werke von 16 in Berlin lebenden Künstlern gibt es zu ersteigern, darunter zum Beispiel szene-historische Relikte aus dem Prä-Mitte-Hype-Berlin - etwa die Figuren aus der finnischen Mythologie von Maria Räihälä. Die mit Marker gemalten, Alien-gleichen Gesichter, die sie beim Aufräumen wiedergefunden hat, stammen aus der Zeit als die Ständige Vertretung noch ein Technoclub war und nicht ein Themenrestaurant mit rheinischem Demokratieflavor.

Was die Kunstwerke zusammengebracht hat, ist ein gleichzeitiger, gemeinsamer Wachstumsprozess der Autoren außerhalb des Artbiz. Man kennt sich eben über die verschiedensten Ecken der Kreativ-Arbeit. Mit Sebastian Mayer zum Beispiel ist ein Fotograf dabei, dessen Arbeiten in Zeitschriften wie Spex und Groove zu finden sind. Hier präsentiert er zwei digital auf Silhouetten reduzierte Foto-Prints. Philip Virus, der vor allem durch die Videos für Atari Teenage Riot bekannt ist, zeigt Fotos von zwei klonhaft retuschierten Kindern.

Die zart auf Leinwand gemalten Szenen aus dem Liebesleben der IKEA-Lampen, die durch ihre Betextung Polaroidcharakter erhalten, stammen wiederum von Fehmi Baumbach. Sie organisiert sonst die Bewegungselite, an der auch Philip Krötzinger beteiligt ist. Randolph Müller beklebt Autoscheiben mit den ewigen Sehnsüchten Glück, Sex & Schönheit.

Der Fotograf Olaf Martens ist der einzige Nicht-Berliner. Neo-Pop Art wird von Roger Frank und S.I.G. geboten: Roger Frank ist mit einer vierteiligen Serie „Happy“ vertreten, während S.I.G. Porträts von BSE-Kühen beisteuert. Um die Künstler getreu dem „hedges“-Motto vor Preisverlusten zu schützen, gibt es Mindestpreise für alle Objekte, die allerdings nett niedrig liegen: 200 Mark für ein kleines Bild auf Leinwand oder 3.000 für eine 15-teilige Fotoserie über Zigarren von Volker Rehm sind definitiv politische Preise, unter dem üblichen Galerieniveau.

Man will auf keinen Fall „Auguststraßenhype“ sagt Ilja Castellanos von contact:c4, sondern gute junge Kunst aus Berlin fördern und sich so dem Kunst-Kommerz-Betrieb entziehen. Die Werke sollen den Besitzer wechseln, um über das persönliche Umfeld hinaus Verbreitung zu finden, aber auch, um ganz schlicht in guten Händen zu landen.

Ohne DJ und Genre-Crossover wäre so eine Aktion natürlich nicht komplett, deswegen gibt es noch vier Mix-CDs von DJs wie Krozome 131 oder Rolle Rolle, Videos und ein Buch. Damit das Geschehen weiter im Fluss bleibt, markiert die Auktion auch das Ende von contact:c4 - und den Anfang der Galerie Pussy Galore. Hier will man sich verstärkt der Berliner sowie der osteuropäischen Kunstszene widmen. Aber erstmal ist am Sonntag Einkaufstag für Weihnachtsgeschenke suchende Mittis, bevor das Start-Up Pleite geht und das Geld fehlt. Denn Arbeit geht, die Kunst bleibt. DANIEL BOESE

Hedges @ Pussy Galore, Chausseestraße 11, Besichtigung Sa. 19-22 Uhr, Auktion So. 10. Dez., 15 Uhr. www.cc4.de