Aufstand der Betroffenen

Rund 1.300 Menschen demonstrierten am Samstag gegen Rassismus in Gesellschaft und Politik. Aufgerufen hatten nicht Politiker aller Parteien, sondern das Bündnis Afrikanischer Organisationen

von BRITTA STEFFENHAGEN

Willi H., ein Endvierziger mit grauem Anorak, ist im Vorstand der Afrikanischen Ökumenischen Kirche. Am Samstag ging er auf die Straße. Er habe keine Lust mehr, auf seine Frau zu warten, sagt Willi H. Vor dreizehn Jahren hatte er sie kennen gelernt. Damals war er Entwicklungshelfer in Ghana. Und obwohl sie verheiratet sind, werde ihr Visumantrag seit zwei Jahren abgelehnt, ärgert sich Willi H.: „Weil sie schwarz ist.“

So wie Willi H. haben die meisten der 1.300 Menschen, die am Samstag am Brandeburger Tor demonstrierten, eigene Erfahrungen mit Rassismus. „Dies ist keine Modedemonstration wie die am 9. November“, erklärt Yonas Endrias, einer der Organisatoren des Umzugs unter dem Motto „Black Out?“. Weil zwar Black zeitweilig „in“ sei und Politiker jede Menge Zeichen setzen, praktisch aber wenig ändern würden, hatte das Bündnis der Afrikanischen Organisationen zum Tag der Menschenrechte und einen Monat nach dem Aufstand der Anständigen zum Protest gegen Rassismus in Gesellschaft und Politik aufgerufen.

Ein älteres Ehepaar ist mit dabei, weil es ein Kind aus Afrika adoptiert hat. Eva S. trägt Kriegsbemalung im weißen Gesicht und Stachelschweinborsten im Haar. „Das steht für Kampf gegen die ganze Rassismusscheiße“, sagt sie lächelnd, „wir kommen doch alle aus Afrika.“ Collis W. hat in der Zeitung von der Demo gelesen, er ist seit zwei Monaten in Berlin. „Es ist doch dasselbe, egal wohin du gehst als Schwarzer, es ist immer schwierig“, weiß er aus eigener Erfahrung.

Zuschauer am Straßenrand wippen mit den Knien zu den Raggaebeats, während der Demonstrationszug friedlich Unter den Linden vorbeizieht. Am Straßenrand werben Plakate mit schönen Ausländern für modische Kleidung. „Apartheid ist Mode geworden in Deutschland“, steht auf einem der Demo-Transparente.

Das Bündnis der Afrikanischen Organisationen fordert daher unter anderem ein Antirassismusgesetz und die Einführung des Straftatbestands „Hate Crime“, wie es ihn in den USA gibt. „Wir wollen eine praktische Solidarität“, sagt Yonas Endrias. „Im Moment kommen einfach nur Sprüche von rechts und links.“ Nach Informationen des Bündnisses wird die Zahl der Übergriffe auf Ausländer dieses Jahr die höchste seit 1990 sein.

Pastor Botembe von der Afrikanischen Ökumenischen Kirche schließt seine Rede mit den Worten: „Bis wir sagen können, ich bin stolz, ein schwarzer Deutscher zu sein, das ist noch ein langer Weg, und dafür müssen wir selbst kämpfen.“