gestern in teheran
: Im Iran muss man lange warten, bis man auf einer Party verhaftet wird

Rosinenwodka und Chris de Burgh

Es gibt tatsächlich Clubs im Iran. Zwar wurde im Anschluss an die Revolution von 1979 alles „westliche“ Kulturgut, von den Bee Gees über Blue Jeans bis zu elektrischen Gitarren, für ungesetzlich erklärt, und man bekam oft Geschichten erzählt über die Islamische Miliz, die Villen stürmte und Steinways zerhackte. Inzwischen wird vieles wieder geduldet. Kuschelrock-Konzerte etwa sind très en vogue, allerdings dürfen Sängerinnen nur vor weiblichen Zuschauern auftreten. Und die Kellerräume mit den Teenie-Raves und die kurzlebigen schalldichten Diskotheken in Hotelsuites gibt es seit jeher.

In der Regel besteht für jüngere und betuchte IranerInnen das Ausgehen aus relativ banalen Partys mit Musik, iranischem Rosinenwodka etc. Gerne erzähle ich von der letzten Party, auf der auch ich endlich einmal verhaftet wurde – nachdem ich bereits seit einem Jahr in Teheran lebe. Die Miliz ist aber eben auch nicht mehr das, was sie früher einmal war.

Die Party war okay. Es gab iranischen, arabischen und türkischer Pop, dann auch Eurotrash und Techno und aus irgendeinem Grunde Chris de Burgh. Zur orientalischen Musik tanzt man orientalisch, und zum Eurotrash lässt man sich gerne ironische Versionen der geläufigen Dance-Moves einfallen. Dann ist es kurz nach Mitternacht, ein betrunkener neuseeländischer Diplomat rezitiert altpersische Gedichte, andere reden über Simin, die sich die Nase nicht ein-, sondern zweimal operieren ließ, oder erzählen Witze über George W. Bush.

Plötzlich klingelt es, und es steht tatsächlich die Miliz vor der Tür. Mit ihren gemusterten Halstüchern (die die Schweizer „Arafats“ nennen), hellbeigen Militärhosen und jungen Bärten stehen sie da und begehren Einlass. Da sie es jedoch versäumt haben, einen Haftbefehl mitzubringen, müssen sie draußen warten, bis einer den zuständigen Beamten weckt, der das Formular unterschreibt.

Unterdessen wird der Alkohol ins Klo gekippt, die Frauen ziehen Kopftücher an und setzen sich keusch in ein getrenntes Zimmer etc. Bis der Haftbefehl bereit ist, ist die Wohnung picobello zurechtgemacht worden. Die Herren nehmen uns trotzdem mit, und im Polizeirevier kommen dann alle bis auf die zwei Ausländer in Untersuchungshaft. Die Ausländer dürfen sich ins Treppenhaus setzen, da man nicht will, dass sie das bekannte „schlechte Bild“ vom Iran mit nach Hause nehmen. Bald stehen alle im ganzen Revier herum und erzählen weiter Witze über George W. Bush und spekulieren darüber, welcher Nachbar uns bei der Miliz verpfiffen hat. Später erfahren wir, dass es eine alte Freundin war, die nicht eingeladen wurde und irgendeine Rechnung mit einem der Gäste offen hatte.

Am späten Vormittag erscheint der Richter. Er tadelt uns wie Schulkinder und findet es lächerlich, dass auf mehreren Personalausweisen „Beruf: Künstler“ steht. Dem Vater des Gastgebers gibt er zu verstehen, was für ein Ekel von einem Sohn er doch hat. Dann sind wir wieder frei. TIRDAD ZOLGHADR