Schwarzmarkt, „Oasis“ und Basketball

■ Vorweihnachtliches-Antiweihnachtliches: Klaus Modicks „Vierundzwanzig Türen“

Wer eine Adventskalendergeschichte am 13. Dezember in einer Lesung vorstellt, muss ein solides Selbstvertrauen haben – schließlich ist der Clou solcher Romane die äußere Form der 24 Kapitel. Klaus Modicks Adventsroman bietet jedoch mehr als in Stücke geschnittene Unterhaltung für das Warten aufs Christkind: Zwar handelt es sich bei Vierundzwanzig Türen um eine weihnachtliche Erzählung, und das tägliche Lesen oder Vorlesen passt in die dunkle Jahreszeit und wird diejenigen erfreuen, die sich etwas Abstand zum sich jährlich steigernden Trubel und Konsumwahn in Hamburgs Straßen wünschen. Doch kann der Roman auch gut am Stück gelesen werden.

Nein: Dieser Roman lädt geradezu dazu ein, alle Türchen auf einmal zu öffnen, um das dahinter Verborgene zu entdecken – nur schwer kann man Vierundzwanzig Türen nach Beenden eines Kapitels aus der Hand legen.

Die Romanhandlung teilt sich in zwei Erzählungen auf: Ein Erzähler berichtet von der Adventszeit mit seinen quirligen Töchtern im Teenageralter, die sich zwischen Bravo, adidas-Klamotten, Popmusik und ausufernden Weihnachtswünschen bewegen. Der von ihrer Mutter präsentierte, außergewöhnliche Adventskalender wird für „mega-out“ erachtet und übt auf den Erzähler mehr Faszination aus als auf die Adressatinnen: Hinter 24 Spiegeln verbergen sich kleine Aquarelle, die Merkwürdiges wie ein Paar Schuhe oder ein Banjo darstellen und beim Erzähler Assoziationen an seine Kindheit in der Nachkriegszeit auslösen.

Das geheimnisvolle Stück stammt von einem alten Maler, der ihn der nach einem Kalender suchenden Mutter geschenkt hat. Dieser zweite Erzähler erinnert sich in eingefügten, doch separaten Kapiteln an die Weihnachtszeit im Jahr 1946, die von Nachkriegswehen und Schwarzmarkt geprägt war und ihn dennoch sein eigenes Weihnachtswunder erleben ließ.

Ein einfühlsames Stück Literatur ist Klaus Modick hier gelungen: Wo andere allzu oft mit dem erhobenen Zeigefinger winken, wenn es um die Darstellung von Mangel, Kriegszerstörungen und menschlichem Leid geht, bekommen die Erinnerungen in Vierundzwanzig Türen durch die Gegenüberstellung mit der locker erzählten Gegenwart etwas Federleichtes, das zwar nachdenklich stimmt und dankbar für heutigen Luxus macht, aber den LeserInnen keine vordergründigen Gewissensbisse aufzwingt.

Mit fortschreitender Adventszeit öffnen die beiden Mädchen den Kalender mit immer größerer Neugier – und wer sich von der heutigen Lesung einnehmen lässt, kann gleich doppelt genießen: Bis zum 14. Türchen am Stück lesen und dann brav täglich nur ein Kapitel - insofern ist das späte Datum der Lesung doch sehr geschickt gewählt. Karen Schulz

Lesung heute, 20 Uhr, Zentralbibliothek, Gr. Bleichen 25, Eintritt frei

Klaus Modick, Vierundzwanzig Türen, Eichborn, 283 S., 39,80 Mark