Das eiskalt lächelnde Aas

Der Ex-Benneton-Fotograf Oliviero Toscani hat sich mit Schockwerbung einen Namen gemacht

Dass er gerade Bilder zu einem Büchlein beigesteuert hat, in dem Jugendliche ihre Gedanken über das „Beten“ sammelten, darüber werden seine Feinde nur kalt lächeln.

Wurde ihm doch vorgeworfen, unchristlich zu sein, provokant, skandalös, mit den Fotos von blutigen Soldatenkleidern, einem HIV-Stempel auf nackter Haut nicht nur den guten Geschmack zu verletzen, sondern vor allem die guten Sitten.

Alles Absicht. „Die öffentliche Meinung dort kratzen, wo es sie juckt“, das sei sein Begehr, hat er über sein in der Presse ziemlich umstrittenes Buch „Die Werbung ist ein lächelndes Aas“ gesagt. Der Mann kann nicht nur Aufsehen erregende Bilder inszenieren, sondern auch sich selbst: als feuriger, bissiger Italiener, immer in Diskutierlaune, immer gut für ein zitierwürdiges Bonmot. Nach 18 Jahren bei dem großen Modekonzern seien ihm „die Pullöverchen von Benneton einfach zu eng geworden“, es sei zum Schluss gewesen, „als schläfst du mit einer alten Ehefrau, die den Sex nicht mehr genießt. Jetzt suche ich mir eine junge Frau.“

Die heißt Talk und ist ein amerikanisches Magazin, dem der (übrigens schon lange mit der gleichen Ehefrau) verheiratete Toscani als Creative Director vorsteht. Und bei dem er jüngst schon wieder ein kleines Skandälchen provozierte: Toscani hatte sich über Anzeigen beschwert, in denen perfekte, weiße Models posieren, denn diese bezeugten „eine Affinität zu Hitler“. Ganz konkret bezog er sich dabei auf eine Anzeige des Kosmetikkonzerns Estée Lauder, und ganz konkret überlegt der Konzern jetzt, ob er alle Talk-Anzeigen zurückziehen soll.

Toscani steht eben auf Fettnäpfchen, solange sie kontrovers diskutierbar sind, in die Political-Correctness-Debatte passen und das Geschäft ankurbeln.

Dafür hat er nämlich mindestens ebenso ein Näschen wie für Provokationen: Während seiner Zusammenarbeit mit dem Benneton-Konzern wuchs dieser um das Zwölffache. Dabei gibt Toscani seinen Senf gerne auch auf anderen Gebieten dazu und erhielt deshalb 1989 einen Goldenen Löwen in Cannes für einen Werbespot und im November dieses Jahres eine Geldstrafe wegen Verunglimpfung: Toscani hatte sich diffamierend über Italiens Geometer geäußert, die oft anstelle von Architekten die italienischen Bauten planen. Das ließ der Geometer-Verband nicht auf sich sitzen.

Der Pferde- und Porschenarr Toscani hat es mit den um seine Bildsprache entbrannten Streitigkeiten bis vors deutsche Verfassungsgericht gebracht. Dort haben ihm nun die Richter letztlich Recht gegeben.

JENNI ZYLKA