Japans verdrängte Gräuel vor Gericht

Ein symbolisches Tribunal in Tokio hat über das System der Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg verhandelt

TOKIO taz ■ Japans Kaiser Hirohito ist posthum für die sexuellen Verbrechen seiner Armee an 200.000 Frauen in Asien vor und während des Zweiten Weltkriegs verurteilt worden. Ein inoffizielles Tribunal über die Zwangsprostitution durch die japanische Armee befand den 1989 verstorbenen Tenno gestern der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig. Hirohito habe von den Vergewaltigungen und Rekrutierungen von Frauen zur Prostitution „spätestens seit dem Massaker von Nanking im Dezember 1937 gewusst“, sagte die US-Richterin Gabrielle McDonald, die das Tribunal leitete, bei der Urteilsverkündung.

Die drei Richterinnen und ein Richter stellten zahlreiche Verstöße gegen das Völkerrecht fest und forderten die jetzige Regierung auf, Wiedergutmachung zu leisten. Das Tribunal widersprach der japanischen Auffassung, dass die Verbrechen verjährt seien. Zuletzt waren vergangene Woche ehemalige Zwangsprostituierte aus den Philippinen mit ihren Entschädigungsklagen vor einem Gericht in Tokio gescheitert.

Drei Tage lang hatten die rund eintausend Teilnehmer des Tribunals erschütternde Zeugenaussagen überlebender Frauen gehört. Die 71-jährige Chinesin Wan Aihua beschrieb mit bebender Stimme, wie sie 15-jährig in der Provinz Hubei von japanischen Soldaten vergewaltigt und in ein Truppenbordell gezwungen wurde. Nach ihrem dritten Fluchtversuch sei sie nackt an einen Baum gehängt, geschlagen und wieder vergewaltigt worden, so Wan schluchzend, bevor sie auf der Bühne zusammenbrach.

Die 70-jährige Yang Mingzhen berichtete, wie ihre Eltern 1937 in Nanking von japanischen Soldaten vor ihren Augen ermordet wurden und sie selbst –- als damals Siebenjährige – vergewaltigt wurde. Beim Nanking-Massaker töteten japanische Soldaten in Chinas damaliger Hauptstadt etwa 200.000 Chinesen, etwa 20.000 Frauen wurden vergewaltigt.

Mutig waren auch die Aussagen von zwei 80-jährigen japanischen Veteranen, die das das System der Zwangsprostitution bestätigten. Auch er habe damals vergewaltigt, sagte der frühere Korporal Yoshiro Suzuki.

Während drinnen von Gewalt und lebenslanger Demütigung berichtetet wurde, demonstrierten draußen Rechtsradikale, einige von ihnen in Militäruniformen. „Es gibt keine Trostfrauen“, stand auf Plakaten. Trostfrauen werden in Japan euphemistisch die Zwangsprostituierten genannt, viele Japaner leugnen oder verharmlosen die damaligen Gräuel noch immer.

Das Tribunal fand direkt neben dem Showa-kann statt, dem offiziellen Kriegsmuseum. Es erinnert an die Showa genannte Herrschaftszeit Hirohitos. Zurzeit läuft hier eine Ausstellung „Mütter und Kinder im Krieg“. Auf die Frage, wie die Zwangsprostitution dargestellt wird, sagt Abteilungsleiter Fumio Yokoshima: „Dazu haben wir nichts.“ Man erinnere nur an die Leiden des japanischen Volkes während des Krieges.

SVEN HANSEN