Jesuitenmassaker bleibt ungesühnt

Die Justiz El Salvadors beschließt, dass der ehemalige Präsident Alfredo Cristiani und seine militärischen Freunde für die Morde von 1989 nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfen. Zufällig ist Cristiani der einflussreichste Unternehmer im Lande

aus San Salvador TONI KEPPELER

Eine Regierungskommission hatte es erst vor kurzem gesagt: Das Justizsystem von El Salvador ist durch und durch korrupt. Am späten Montagabend lieferte die Richterin Ana América Rodríguez einen weiteren Beweis. Sie entschied, dass das Massaker an sechs Jesuiten und zwei ihrer Haushälterinnen, begangen von einer Eliteeinheit der Armee am 16. November 1989, straffrei bleibt. Der Fall werde endgültig geschlossen. Ein Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Alfredo Cristiani und sechs ranghohe Militärs, die den Mord angeordnet haben, werde nicht eröffnet.

Die Richterin folgte einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die sich seit Jahren weigert, gegen die bekannten Hintermänner des Massakers zu ermitteln. Schon im 1993 veröffentlichten Bericht einer Wahrheitskommission zu den Verbrechen des Bürgerkriegs in El Salvador (1980 bis 1992) steht, dass der Mord an den regierungskritischen Jesuiten bei einer Sitzung des Generalstabs beschlossen wurde, an der auch der damalige Präsident Cristiani (1989 bis 1994) zeitweise teilnahm. Der Jesuitenorden hatte Anzeige erstattet und einen Haftbefehl gegen Cristiani und seine militärischen Freunde beantragt.

Doch Cristiani, heute der einflussreichste Unternehmer des Landes, braucht die Justiz des Landes nicht zu fürchten. Generalstaatsanwalt Belisario Artiga war, bevor er zum ersten Strafverfolger befördert wurde, Rechtsvertreter einer von Cristiani kontrollierten Bank. Er ist seinem früheren Chef so verpflichtet, dass er in seinem Antrag, das Jesuitenmassaker in den Archiven verschwinden zu lassen, glatt ein Urteil des Verfassungsgerichts ignorierte. Die höchsten Richter hatten erst Anfang Oktober entschieden, dass eine von Cristiani 1993 erlassene Generalamnestie für Bürgerkriegsverbrechen auf ebendiesen Fall nicht anwendbar ist. Der Grund: Die Verfassung verbietet, dass ein Präsident sich und seine Untergebenen amnestiert. Artiga aber argumentierte mit der Generalamnestie, und die Richterin folgte ihm. Die Jesuiten haben bereits Widerspruch gegen die Entscheidung angekündigt.

Das Massaker von 1989 war entscheidend für den weiteren Verlauf des Bürgerkriegs. Es fand mitten in der erfolgreichsten Offensive der Guerilla statt. Die USA stornierten kurzfristig die Militärhilfe für die Armee. Cristiani sah sich zu ernsten Friedensverhandlungen gezwungen. Das Verfahren um das Massaker hätte entscheidend für die Zukunft des Landes sein können. Denn Cristiani kontrolliert neben dem mächstigsten Wirtschaftsimperium des Landes auch die ultrarechte Regierungspartei Arena. Jede Regierung nach ihm tanzte nach seiner Pfeife. Die Jesuiten haben angekündigt, sie würden, wenn in El Salvador nichts zu machen ist, in Spanien vor Gericht ziehen. Juristisch ist das kein Problem: Fünf der sechs ermordeten Patres waren Spanier. Cristiani dürfte das mehr als lästig sein. Der Finanzsektor seines Imperiums ist eng mit spanischen Banken verbandelt.