Umstrittene Schuld

Eine Gruppe weißer Südafrikaner will Verantwortung für die Apartheid übernehmen. Die Aktion stößt auf Kritik

JOHANNESBURG taz ■ Zwei Jahre nachdem die südafrikanische Wahrheitskommission ihre Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Apartheidzeit eingestellt hat, warten die Opfer noch immer auf Entschädigung. Doch der Afrikanische Nationalkongress (ANC) hat es bislang nicht eilig, den rund 15.000 anerkannten Opfern die ohnehin nur symbolischen Beträge auszuzahlen. Auch private Initiativen, etwa von Seiten der Industrie, gibt es kaum.

Eine kleine, aber prominente Gruppe Weißer will nun einen anderen Weg gehen: kollektiv Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen und einen Fonds für Opfer einrichten. In einer landesweiten Unterschriftenaktion, initiiert von dem weißen ANC-Politiker Carl Niehaus und dem ehemaligen Mitarbeiter der Wahrheitskommission, Professor Charles Villa-Vicencio, sind weiße Südafrikaner aufgerufen, sich der Aktion anzuschließen.

Heute, am nationalen Feiertag der Versöhnung, soll die Initiative in Kapstadt öffentlich vorgestellt werden. Das Datum ist fein gewählt. Früher gedachten die Buren am 16. Dezember der glorreichen Schlacht am Blutfluss gegen die Zulus im Jahr 1838. Der ANC führte den Versöhnungsfeiertag ein, politisch korrekt, aber unbeliebt bei Schwarz und Weiß.

Wir müssen anerkennen, dass wir von der Apartheid profitiert haben, und müssen uns dafür entschuldigen, sagt Niehaus. Das mag selbstverständlich klingen, sucht aber in Südafrika bislang seinesgleichen. Fragt man heute unter Weißen herum, so gab es eigentlich keine Anhänger der Apartheid.

Nur einzelne wagten es bislang, diesem Konsens zu widersprechen. Die prominente afrikaanssprachige Autorin Antjie Krog etwa, die mit einem einfühlsamen Buch über die Anhörungen der Wahrheitskommission weltweit Beachtung fand. Sie war es auch, die als Erste öffentlich forderte, weiße Südafrikaner müssten sich zu ihrer Schuld bekennen und finanziell zum Wiederaufbau beitragen.

Niehaus, bis vor kurzem Botschafter in den Niederlanden, nahm den Gedanken auf. Über mangelnde Aufmerksamkeit kann er sich nicht beklagen. Angefangen von prominenten Juristen wie Richard Goldstone und Albie Sachs über Ärzte und Akademiker bis zu hin zu Künstlern und Schriftstellern haben weiße Liberale den Aufruf unterschrieben. Innerhalb der weißen Minderheit hat das aber zu heftigem Streit geführt.

Sämtliche weißen Politiker weisen es entrüstet von sich, ihren Namen auf die Liste zu setzen – angefangen bei Frederick de Klerk. Der Aufruf, so der ehemalige Präsident, enthalte gefährliche Vereinfachungen, die es ihm unmöglich machten zu unterschreiben.

In dieser Haltung weis sich de Klerk einig mit seinen Nachfolgern. Er habe ernsthafte Zweifel an einer Politik der Entschuldigungen erklärte Tony Leon, Chef der neuen Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA), einer Verschmelzung der früheren Liberalen Partei und der Nationalen Partei.

Auch de Klerks Erbe, der profillose heutige zweite Mann in der DA, hat schwere Bedenken gegen eine Kollektivschuld. Er wolle die guten Absichten der Initiative nicht in Frage stellen, so Biedermann Marthinus van Schalkwyk, aber sie lade einer künftigen Generation von weißen Südafrikanern eine untragbare Bürde auf.

Dem widerspricht einer vehement, der diese Bürde schon kraft seines Namens mit sich herumträgt. Erst wenn wir, die Weißen einsehen, dass wir bis heute von einer ungerechten Vergangenheit profitieren – unabhängig davon, ob wir die Apartheid unterstützt haben oder nicht – können wir wirklich in diesem Land zu Hause sein, sagt Wilhelm Verwoerd. Der Großvater des kleinen rothaarigen Philosophie-Professors war Hendrik Verwoerd, Architekt der Apartheid. KORDULA DOERFLER