Koalition quälte sich einen langen Freitag

■ Vom Datenschutz bis zur Straßenreinigung: Eine vorweihnachtliche „Reste-Liste“ beschäftigte die „Elefanten-Runde“ der großen Koalition sechs Stunden lang. Die Ergebnisse blieben in vielen Punkten jedoch eher mager

Müde und abgekämpft sind die Vertreter der Koalition am letzten Freitag gegen 19 Uhr vor die Presse getreten. Seit dem Mittag hatten sie zusammengesessen, um vor Weihnachten noch eine lange Liste von Konfliktpunkten vom Tisch zu bekommen. Für 15 Uhr 30 war die Presse bestellt – doch auch nach sechs nervenaufreibenden Stunden hatten sich die Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Hartmut Perschau (CDU) mit ihren Fraktionsvorsitzenden Jens Böhrnsen (SPD) und Jens Eckhoff (CDU) nur über einen kleinen Teil der Streitfragen wirklich verständigt. Dabei handelte es sich überwiegend um kleinere Fingerhakeleien, die der Senat in seinem Alltagsgeschäft hätte abhandeln können. Das jedenfalls hatte zuvor der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann erklärt – und deswegen abgelehnt, mit seiner Beteiligung die Runde zu einem förmlichen Koalitionsausschuss zu machen.

Sichtlich gequält präsentierten die Verhandler sich schließlich der Öffentlichkeit. „Ich habe den Eindruck, dass wir die Liste der strittigen Punkte heute abgearbeitet haben“, ließ Scherf seine Unzufriedenheit über das Ergebnis der Beratungen durchblicken, während Perschau sich den Lehrbuch-Satz abrang: „Es gibt nur Sieger.“ Wo denn nun die „Siege“ liegen sollen und was „abgearbeitet“ worden war, wollten die Verhandler dann aber nur widerwillig im Detail erläutern.

Da war zum Beispiel das Thema Datenschutzbeauftragter. Seit einem Jahr ist die Position des Landes-Datenschutzbeauftragten unbesetzt. Beschluss der Koalitionsrunde zu diesem Thema: „Der zuständige Staatsrat (SPD) wird sich mit der CDU abstimmen.“ Was das heißen soll, konnte oder wollte Henning Scherf auf der Pressekonferenz nicht weiter erläutern. Hintergrund: Nicht die CDU blockiert, sondern das von Scherf geführte Justizressort spart hier Personalkosten und verhindert, dass die Stelle, deren Inhaber die Verwaltung kontrollieren soll, ordentlich besetzt wird. Die Fraktionen von SPD und CDU lassen das mit sich machen.

Auf der Tagesordnung der Krisenrunde standen auch die Mietobergrenzen im sozialen Wohnungsbau. Dieses Problem wurde auf März 2001 vertagt. Hintergrund von Auseinandersetzungen ist ein Loch von rund 18 Millionen Mark, das dieses Jahr bei der Wohnungsbauförderung klafft; im kommenden Jahr werden über 20 Millionen Mark dazukommen. Obwohl Fachleute davor gewarnt haben, das Problem einfach zu vertagen, hat die Krisenrunde nun beschlossen, das Loch aus dem Jahre 2000 ins Jahr 2001 zu übertragen.

Problem Werftenhilfe. Geld dafür hat der Senat bei der Haushaltsauftellung nicht eingeplant, nun soll die Werftenhilfe aus „Haushaltsentlastungen“ genommen werden, sprich: Aus Ein-sparungen dank zurückgehender Sozialhilfe-Kosten.

Ein anderes Finanzproblem hat die informelle Runde gleich mit abgehakt: Die Investitionen im Wissenschaftsbereich haben „Folgekosten“ – Löhne und Gehälter sowie Zuschüsse in einer Höhe von rund 100 Millionen Mark pro Jahr. Die bisherige Haushaltsplanung für die kommenden Jahre würde diese Summe sprengen, sollen doch einige hundert Millionen Mark so genannter „konsumtiver“ Ausgaben gekürzt werden. Die Koalitions-Runde vom Freitag erklärte die Professoren-Gehälter schlicht zur „Investition“ und legte fest, dass dafür jährlich 100 Millionen Mark aus dem „Investitionssonderprogramm“ genommen werden sollen. Etikettenschwindel – denn im Unterschied zu konsumtiven Ausgaben darf der Staat Investitionen mit Hilfe von Krediten finanzieren.

Bei den zu gründenden Staatsfirmen „Arbeit Bremen GmbH“ und Arbeit-Bremerhaven GmbH, die unter anderem die Vergabe von Arbeitsfördermitteln abwikkeln sollen, hat sich die Koalition bislang um die Besetzung der Geschäftsführerposten gestritten, nun soll es eine „ordentliche Ausschreibung“ geben, „mit Präferenz je einer der beiden Seiten“. Sprich: Die CDU wird den Bremer Posten besetzen, die SPD den Bremerhavener.

Beim Streit um die Kulturmanagement GmbH gibt es einen Kompromiss der besonderen Art: Die SPD wollte nicht, dass diese Gesellschaft Entscheidungs-Kompetenzen zu Lasten der Kulturbehörde bekommt; die CDU wollte das doch. Nun soll der Geschäftsführer der Controlling-Gesellschaft „kmb“ gleichzeitig Verwaltungsangestellter „oberhalb und außerhalb der Kulturabteilung“ werden – und dann als Staatsdiener das unterschreiben, wozu er als GmbH Geschäftsführer geraten hat.

Mit einen Formelkompromiss, der den Senat noch länger beschäftigen wird, wurde auch das Thema „Straßenreinigung“ vertagt. 1994 hatte der Senat die Grundsteuer B angehoben mit der Begründung, es gebe ja keine Straßenreinigungsgebühr in Bremen. Die Berechnung einer gerichtlich nachvollziehbaren Gebühr für jede Straße in Bremen sei zu aufwendig, hieß es damals. In anderen Städten gibt es serienweise Prozesse um gerechte Kriterien für derartige Straßenreinigungs-Gebühren. Auch in Bremen gibt es schon seit 1995 erneut Debatten, die Grundsteuer mit derselben Begründung ein zweites Mal anzuheben. Auch jetzt ist ein Loch im Etat des Bausenators der Hintergrund des Streits. Die CDU will sich aber als „mittelstandsfreundlich“ erweisen und nicht an der Grundsteuer-Schraube drehen. Der SPD-Bausenator lehnt damals wie heute die Einführung einer eigenen Straßenreinigungsgebühr als unsinnig ab – wegen hoher Verwaltungskosten. Die Koalitionsrunde hat nun beschlossen, dass die Grundsteuer nicht erhöht wird, der Bausenator dafür das tun soll, was er aus fachlichen Gründen für unsinnig hält: Organisationsformen für eine Straßenreinigungsgebühr entwickeln, eventuell sogar einen „Zwangs-Verband“ dafür gründen oder eine „öffentlich-rechtliche Anstalt“. K.W.