kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Faustball

Es gibt keinen richtigen DFB im falschen – träumte der fußballkonsumistische Wurstbotschafter Uli Hoeneß und hegte den Gedanken, ganz neu anzufangen. Keine Intrigen und Infiltrierungsversuche mehr, sondern eine gepflegte Allmachtsphantasie im überschaubaren Rahmen. Das wär’s doch. Nicht mehr bei Bayern. Ach was, überhaupt nicht mehr im Fußballbusiness, wo selbst ihn, den Rupert Murdoch des Vereinsmanagements, das Geldkarussell manchmal nachdenklich stimmt.

Seine Vision brachte ihn darauf, sich eine völlig andere Sportart anzueignen, sie auszubeuten und zu verwerten. Ein renommiertes Consulting-Institut riet Hoeneß, die Erträge seines Wurstimperiums in das dahinsiechende Turnerspiel Faustball zu investieren. Aus dem Munde eines Taz-Redakteurs kam ihm zwar zu Ohren, dass Faustball „verschleiert kryptofaschistisch“ sein könnte, vielleicht aber gerade deswegen kapitalismustauglich.

In Deutschland sei Faustball weit verbreitet und liefere laut Institut als eine der ältesten Sportarten „ein kreativ vermarktbares Image“. Schon der Dichter Plautus erwähnte im dritten Jahrhundert v. Chr. Follis pugilatorius, einen mit der Faust geschlagenen großen Ball. Lange bevor der Bayer-Konzern den Fußballsport als Identitätsmultiplikator entdeckte, paktierten Fäusteschwinger werbeweisend mit Kaiser Gordanius III. Dieser imprägnierte 240 n. Chr. eine feurig gefäustelte Spielszene auf seiner römischen Gedenkmünze.

Faustball ist mit seiner geballt gestreckten Faust Volleyball fürs Volk: Einfach zu verstehen, wuchtig explosiv und dynamisch rasant. So wie eben worthülsenverliebte Unternehmen sich ihren gesponserten Partner vorstellen.

Demgemäß formuliert der VfK 1901 Charlottenburg, ein Faustball-Zweitligist bei den Damen und Herren, heute sein Selbstverständnis: „Der VfK spielt den attraktivsten und athletischsten Faustball. Dies wird durch die sportlichen Erfolge in allen Altersklassen deutlich. Allen Beteiligten macht die Bewegung an frischer Luft oder im Winter in der Halle großen Spaß. Die Kameradschaft ist sehr gut und aufgeschlossen.“

Irgendwie hat die Boxball-Avantgarde bislang nur den ganz großen Sprung verpasst. Stattdessen avancierte sie mit dem Vorurteil, ein Altherrensport zu sein, zum Dauerabonnenten im Randsportmilieu. Dabei müsste doch jede(r) mitmachen wollen: Im Gegensatz zum Volleyball darf der 380 Gramm schwere Lederball einmal aufticken, bevor er über das rote Flatterband möglichst in die Lücken der gegnerischen Abwehr gehämmert wird. Das handballfeldgroße Rechteck erfordert Dauerhechtsprünge, variables Leinenspiel und einen Blick für die Schwächen im Stellungsspiel der fünf Kontrahenten. Um die größte Wucht zu erreichen, muss der Schlagmann lediglich seine Faustunterkante schleudern und den Vorwärtsdrall des Zuspiels nutzen.

Wuchtwillig warten die Aktivfäustler mit der geduldigen Faust in der Tasche nun auf ihren Uli Hoeneß. Von Berlin aus könnte er mit Hilfe seines Hertha-Bruders Dieter die dreigeteilte erste Bundesliga vereinigen – und die über zwanzig Abteilungen der Hauptstadt gleich dazu. Alle würden sie kommen, vom Kreuzberger Feld-Erstligisten TG in Berlin 1848 bis zum Hallenkreisligisten SSV Rotation Berlin in Prenzlauer Berg. Und die Fußballfans wären endlich Uli Hoeneß los. GERD DEMBOWSKI

Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 2,5 Punkte