Warmspielen für Wroclaw

Beim klaren 84:53-Sieg gegen den Mitteldeutschen BC in der Basketball-Bundesliga können die jungen Spieler von Tabellenführer Alba Berlin ihr Selbstbewusstsein für die Europaliga stärken

von MATTI LIESKE

Allzu viel war es nicht, was Chris Ensminger und seine Mitspieler vom Mitteldeutschen BC beim ungeschlagenen Tabellenführer der Basketball-Bundesliga erreichten. Immerhin jedoch gelang es dem US-Center der vormaligen Weißenfelser Wölfe bei der 53:84-Niederlage seines Teams, zwei der ansonsten gelassensten und ruhigsten Akteure von Alba Berlin zu ungewohnten Temperamentsausbrüchen zu animieren. Dejan Koturovic und Teoman Öztürk, die auf ihrer Position unter dem Korb an Körperkontakte der unsanften Art gewohnt sind, ließen sich von Ensmingers dem Judo entlehnten Haltegriffen so in Rage bringen, dass die Partie eine Giftigkeit bekam, die der Eindeutigkeit der Kräfteverhältnisse wenig angemessen schien.

„Wir müssen von Anfang an dagegenhalten“, hatte MBC-Coach Frank Menz als Rezept gegen das körperliche Spiel der physisch viel stärkeren Alba-Spieler verordnet, doch außer Ensminger waren seine Mannen mit dieser Aufgabe völlig überfordert. „Ich habe schon beim letzten Training gemerkt, dass niemand daran glaubt, dass wir hier gewinnen können“, beschrieb Menz die Gemütslage der Gäste.

Es ist kein Wunder, dass gerade beim Mitteldeutschen BC die Ehrfurcht vor Alba besonders ausgeprägt ist. „Jeder einzelne Spieler der Berliner hat eine andere Qualität“, konstatierte Frank Menz, der selbst einmal im Kader von Alba stand, einen fundamentalen Klassenunterschied, „schließlich spielen drei meiner besten Leute gerade nicht bei Alba, wo sie gern wären.“ Gemeint sind Spielmacher Mithat Demirel, Alexander Frisch und Ingo Freyer, alles ehemalige Akteure des Deutschen Meisters. Vor allem der kleine Demirel fand wenig Mittel gegen die resolute Alba-Abwehr, leistete sich sieben Ballverluste und schaffte es ein ums andere Mal nicht, seine Kollegen innerhalb der 24 Sekunden Angriffszeit in Wurfposition zu bringen. Dass ihn die Statistik mit 10 Punkten, 7 Assists und 5 Rebounds dennoch als weitaus erfolgreichsten MBC-Spieler ausweist, sagt einiges über den Auftritt der Gäste, die einmal acht Minuten lang ohne Punkt blieben. „Wenn Alba so spielt wie gegen Leverkusen oder in der Europaliga, haben wir keine Chance“, schätzt Menz die Möglichkeiten seiner Mannschaft ein, deren erklärtes Ziel die Vermeidung der Abstiegsrunde ist, also Rang acht am Saisonende.

Die Europaliga ist dagegen das Thema, das dem Berliner Coach Emir Mutapcic vorzugsweise im Kopf herumschwirrt. In der Suproleague sieht es längst nicht so rosig aus wie auf nationaler Ebene. Vergangene Woche gab es beim Gruppenfavoriten Panathinaikos Athen eine klare Niederlage und am Donnerstag kommt mit Slask Wroclaw eines der stärksten Teams der Gruppe. Die Kopie der polnischen Nationalmannschaft, ergänzt durch den litauischen Bronzemedaillengewinner Dainius Adomaitis und die beiden ehemaligen NBA-Akteure Sean Marks und Harold Jamison, hat vier Siege in Folge gelandet, zuletzt beim Spitzenreiter Ülker Istanbul. Nach nur drei Erfolgen in sieben Partien müssen die Berliner unbedingt gewinnen, wenn sie nicht den Anschluss an die vorderen Plätze und damit die Aussicht auf einen günstigen Achtelfinalgegner einbüßen wollen.

Nach den vielen Spielen der letzten Zeit kam Emir Mutapcic der Spaziergang gegen den Mittteldeutschen BC gerade recht, um seinen Startern im letzten Viertel etwas Ruhe zu gönnen und seinen jungen Spielern Selbstvertrauen durch Erfolgserlebnisse einzuflößen. Diese hatten in jüngster Zeit, ebenso wie Point Guard Derrick Phelps, etwas geschwächelt, was dazu führte, dass die gesamte Angriffslast auf Wendell Alexis und zum Teil Dejan Koturovic lastete. Leicht auszurechnen für den Gegner und auf Dauer eine Überforderung. „Wir können nicht in die Richtung gehen, dass Wendell 37 Minuten spielt“, sagt Mutapcic, „wir brauchen Leute wie Stipo Papic und Sven Schulze.“ Panathinaikos hätte zehn Akteure eingesetzt, ohne dass die Qualität des Spieles litt. Zumindest was die Defense betrifft, brauche auch Alba diese Option. „Wir können nicht Suproleague mit sechs Mann spielen.“

Gegen die braven Weißenfelser durfte sich jeder ein bisschen austoben, auch Derrick Phelps, der mit 17 Punkten, 7 Assists und 7 Rebounds seine Vielseitigkeit bewies. Eine ähnliche Leistung gegen Wroclaw würde Mutapcic sehr glücklich machen, doch leider gilt seine Erkenntnis „der Übergang von Suproleague zur Bundesliga ist nicht immer leicht“ auch umgekehrt.