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: Melancholie, Fleisch geworden

Sperling und das große Ehrenwort (Sa., 20.15 Uhr, ZDF)

„Du bist ja verknallt in das Mädchen“, platzt es aus dem Kleinkriminellen Lindemann heraus, als Kommissar Sperling ihn um einen Gefallen bittet. „Nein“, antwortet der kühl, „ich habe der Frau nur mein Ehrenwort gegeben.“ Egal was genau der Grund ist (und der Film lässt das wunderbar in der Schwebe), Sperling bewegt sich in dieser Folge, seiner zehnten, hart am Rande der Legalität. Er schützt Hanna Schmidt, die Augenzeugin eines Verbrechens, obwohl er doch längst ahnt, dass sie die Täter kennt.

Als aus der Ahnung Gewissheit wird, dass Hanna nicht nur bloße Zeugin des tödlichen Schusswechsels beim Überfall auf einen Diamentengroßhändler war, ist die Hälfte des Films um – und dann passiert leider nicht mehr viel. Der Fall wird ohne große Wendungen routinemäßig gelöst: Die Zeugin, deren Mann vor einiger Zeit ebenfalls erschossen wurde und die seitdem ein gespaltenes Verhältnis zur Polizei hat, wechselt trotzdem die Seite und führt die Täter in die Falle. Ständig wartet man noch auf eine Überraschung in dieser Geschichte; allein – sie bleibt aus.

So ist der Plot (Buch: Hartmann Schmige) die Archillesferse in einem ansonsten überdurchschnittlichen Fernsehfilm. Denn die Personen sind bis die in die Nebenrollen genau gezeichnet und bestens besetzt: Gesche Tebbendorf und Felix Eitner als Sperlings Kollegen Kerstin und Walter können neben dem alles überragenden Dieter Pfaff als Sperling eigene Charaktere entwickeln. Und Floriane Daniel spielt Hanna als undurchsichtige, sensible und immer auf ihre innere Kraft vertrauende Frau.

Apropos Dieter Pfaff, der mit seiner Figur wohl die Rolle seines Lebens gefunden hat: Sein Sperling ist ganz (Verzeihung!) Fleisch gewordene Melancholie, an der man sich nicht satt sehen kann. Die Regie von Sibylle Tafel zeigte außerdem ein Berlin jenseits des neuen Glamours, spröde und trist. Auch wenn diese Sperling-Folge nicht ganz an die Qualität der letzten Geschichten anknüpfen konnte, waren die 90 Minuten dennoch deutlich kurzweiliger als das, was uns das ZDF in der letzten Zeit als „Samstagkrimi“ verkauft hat – erinnert sich noch jemand an die komplett konfusen Ermittlungen einer „Jenny Berlin“. Play it again, Sperling.

THORSTEN PILZ