DIE ZAHL DER TELEFONÜBERWACHUNGEN STEIGT UNKONTROLLIERT
: Richter müssen berichten

Joachim Jakob, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, ist besorgt über den Anstieg der Telefonüberwachungen (TÜ). Dazu besteht Grund: Von 1998 auf 1999 haben die richterlichen Anordnungen von rund 9.800 auf circa 12.600 zugenommen. Geht man weiter zurück, wird die Steigerung noch erschreckender. So wurden 1973 insgesamt 104 Telefonüberwachungen angeordnet. Zehn Jahre später waren es bereits 964 und 1993 schon 3.964.

Dabei verschleiern diese Angaben sogar noch die wahren Ausmaße. Erhoben wird nämlich nur die Zahl der Anordnungen. Doch kann eine einzige Anordnung gleich mehrere Telefone umfassen. Ein Beispiel: Über neun Monate wurde 1995 in Göttingen die Gruppe „Antifa M“ überwacht. Insgesamt 13.929 Telefonate wurden mitgeschnitten. Oder: Im Zuge der Fahndung nach dem Kaufhauserpresser „Dagobert“ wurden in Berlin zeitweise bis zu 3.000 Telefonzellen abgehört.

Solche Grundrechtsverletzungen erregen offenbar nicht mehr. Dies hat die TÜ von einer Ausnahme – etwa bei Entführungen – längst zur Standardmethode der Ermittlung werden lassen. Doch dass die TÜ entscheidende und anders nicht zu gewinnende Beweismittel erbracht hätten, ist bislang nicht bekannt. Darauf aber käme es an.

Was also tun? Häufig ertönt die Forderung, den so genannten Richtervorbehalt auszudehnen. Das klingt zunächst vernünftig, denn statt sich nur auf die Angaben der Polizei zu verlassen, müssten sich die Richter dann mit den Gründen und Erfolgsaussichten einer Überwachung befassen. Doch verhindert dies noch keine Grundrechtsverletzungen, da es Anlass und Ausmaß einer TÜ nur vorab kontrolliert. Richtiger wäre es, wenn die anordnenden Richter und Staatsanwälte auch die Durchführung der TÜ verantwortlich begleiten und über deren Ergebnisse ausführlich Bericht erstatten müssten. In den USA gingen die TÜ-Zahlen dadurch erheblich zurück. Insoweit ist Jakobs Forderung nach einer Berichtspflicht an das Parlament richtig. Auch wenn sie reichlich spät kommt. OTTO DIEDERICHS