Blutiger Ramadan in Algerien

Zu Beginn der letzten Woche des Fastenmonats kommen 43 Menschen bei Anschlägen radikaler Islamisten ums Leben. Die Politik der Befriedung und Aussöhnung von Präsident Abdelasis Bouteflika halten viele Algerier inzwischen für gescheitert

aus Algier REINER WANDLER

Die vierte Woche des Fastenmonats Ramadan begann in Algerien mit mehreren Blutbädern. Am Samstag und Sonntag verloren bei drei Überfällen insgesamt 43 Menschen ihr Leben. In Medea, einer Kleinstadt im Atlasgebirge nahe der Hauptstadt Algier, wurden 18 Schüler im Alter zwischen 15 und 18 Jahren regelrecht abgeschlachtet.

„Djamel, mach zu! Töte so viele du kannst!“, rief der Chef der Angreifer in Medea einem seiner Untergebenen zu. Die bewaffneten Islamisten drangen gegen 21.30 Uhr in den Schlafsaal Nr. 2 des technischen Gymnasiums am Stadtrand ein und hinterließen ein Bild des Grauens. 18 der 28 im Saal Anwesenden wurden kaltblütig ermordet, sieben teils schwer verletzt. Die Bewaffneten verfolgten ihre Opfer bis in die Waschräume.

Ein Attentat in Ténès, 200 Kilometer westlich von Algier, war nicht weniger gut geplant. Am Sonntagabend gegen 20 Uhr errichtete eine bewaffnete Gruppe mitten im Ort, direkt neben dem Krankenhaus, ein falsche Straßenkontrolle. Als ein Kleinbus vorbeifuhr, eröffneten die Angreifer das Feuer. 15 Menschen fanden sofort den Tod, sieben weitere wurden verletzt.

Eine Stunde später war das nur 50 Kilometer entfernte El Khemis Miliana auf der Nationalstraße nach Oran an der Reihe. Mehrere Bewaffnete eröffneten im zentral gelegenen Stadtteil Boutane aus Maschinenpistolen das Feuer auf die Menschen, die die milde Ramadannacht zum Flanieren nutzten. Fünf wurden getötet. Einige Kilometer weiter im Stadtteil El Marsa geriet zur gleichen Zeit ein Bus in einen Kugelhagel. Auch hierbei starben fünf Menschen.

Sowohl die Region um Medea als auch die Berge von El Khemis Miliana und Ténès zählen zu den bevorzugten Rückzugsgebieten der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA). Deren harter Kern unter Antar Zouarbi hatte im vergangenen Winter das Angebot von Präsident Abdelasis Bouteflika, sich zu ergeben und so von der Justiz großzügig behandelt zu werden, abgelehnt.

Östlich der Hauptstadt Algier, in der Berberregion Kabylei, operiert eine GIA-Abspaltung unter Hassan Hattab. Seit Beginn des Fastenmonats Ramadan Anfang Dezember zählt die Presse insgesamt 200 Tote, für das gesamte Jahr über 2.500. Für viele Algerier ist die Politik der Befriedung und Aussöhnung des seit 1992 vom Bürgerkrieg geplagten Landes, die Präsident Bouteflika einleitete, damit gescheitert.